Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hofft nach dem Ende der Wartungsarbeiten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 auf weitere Gaslieferungen aus Russland. «Ich habe keine geheime Information, weder in die eine noch in die andere Richtung», sagte der Grünen-Politiker am Montagabend in den ARD-«Tagesthemen». «Die Möglichkeit besteht. Die Chance, dass es nicht so kommt, ist auch da. Wir werden abwarten müssen.»
Über die zuletzt wichtigste Route für russisches Erdgas nach Deutschland wird seit Montag nichts mehr geliefert. Nach Angaben der Betreibergesellschaft sollen die Arbeiten bis 21. Juli dauern. In diesen zehn Tagen werde kein Gas durch die Pipeline nach Deutschland befördert. In Deutschland gibt es die Sorge, dass die Pipeline nach den Wartungsarbeiten nicht wieder in Betrieb genommen wird und im Winter das Gas knapp wird.
Habeck will sich am Dienstag mit der österreichischen Energieministerin Leonore Gewessler in Wien treffen. Bei den Gesprächen soll es auch um eine enge Abstimmung zwischen beiden Ländern im Zeichen der Gaskrise gehen. Österreich hat große Speicher, benötigt aber Gasimporte als Alternative zu russischem Erdgas.
Viele andere Maßnahmen denkbar
Habeck betonte, vor der Abschaltung von Industriebereichen könne man viele andere Maßnahmen ergreifen. Als Beispiel nannte er den Bau schwimmender Flüssiggas-Terminals. Für sie gibt es Planungen an der Nordsee. Derzeit beobachte man, wie sich die Gasmengen entwickelten. Alles ziele darauf, im Winter volle Speicher zu haben. «Wenn es nicht gelingt, über den Markt weitere Gasmengen zu besorgen, müssen wir eben die Verbräuche weiter runterbringen», sagte Habeck. Dafür gebe es verschiedene Möglichkeiten.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisierte unterdessen die geplante Lieferung einer gewarteten russischen Turbine für Nord Stream 1. «Wenn ein terroristischer Staat eine solche Ausnahme bei den Sanktionen durchsetzen kann, welche Ausnahmen will er dann morgen oder übermorgen? Diese Frage ist sehr gefährlich», sagte Selenskyj am Montag in einer Videobotschaft. «Und gefährlich nicht nur für die Ukraine, sondern auch für alle Länder der demokratischen Welt.»
Der russische Staatskonzern Gazprom hat die Liefermenge durch Nord Stream 1 im Juni deutlich gedrosselt und auf die fehlende Turbine verwiesen, die zur Reparatur in Kanada war. Der Bundesregierung zufolge fällt die Lieferung der Turbine nicht unter die EU-Sanktionen, weil sich diese nicht gegen den Gastransit richten.
Selenskyj sagte, die Ausnahme bei den Sanktionen werde in Moskau als Schwäche wahrgenommen. «Das ist ihre Logik. Und jetzt besteht kein Zweifel daran, dass Russland versuchen wird, die Gaslieferungen nach Europa nicht nur so weit wie möglich einzuschränken, sondern im akutesten Moment vollständig einzustellen», sagte der Staatschef.