Mit Blick auf die Gaskrise und steigende Energiepreise wächst in den Städten die Sorge, dass Stadtwerke ernsthaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten – und damit die Versorgungssicherheit gefährdet wäre.
«Der Druck auf die Stadtwerke nimmt jedem Tag zu», sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, der Deutschen Presse-Agentur. Würden die Stadtwerke die stark steigenden Preise weitergeben, wären viele Haushalte mit den Kosten überfordert. Wenn sie sie nicht weitergeben, dann könnten viele kommunale Versorger in die Insolvenz rutschen, warnte er. «Die Versorgung vieler Haushalte wäre nicht mehr sicher».
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte ebenso vor einer «Preisexplosion» beim Gas gewarnt. Er bezog sich dabei auf einen möglichen Totalausfall bei den russischen Gaslieferungen. Russland hatte Ende Februar die Ukraine überfallen und liegt seither auch mit den EU-Staaten im Clinch, die die Regierung in Kiew unterstützen.
Am 11. Juli beginnen jährliche Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1, die in der Regel zehn Tage dauern. Dann fließt kein Gas durch die Leitung. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht. Die Gasflüsse aus Nord Stream 1 liegen schon jetzt nur bei 40 Prozent der Maximalleistung.
Bundesnetzagentur warnt
Die Bundesnetzagentur warnt auf ihrer Homepage: «Unternehmen und private Verbraucher müssen sich auf deutlich steigende Gaspreise einstellen.» Es gelte, so viel Gas wie möglich einzusparen.
Dedy forderte, Bund und Länder müssten verhindern, dass kommunale Versorger ernsthaft in Schwierigkeiten geraten. «Sonst wäre die Versorgungssicherheit in Deutschland in Gefahr.» Es seien ganz überwiegend die Stadtwerke, von denen viele Haushalte Gas und Strom, Wasser oder Wärme beziehen. Der Handlungsdruck wachse mit jedem Tag.
Der Bund müsse umgehend die kommunalen Versorger unter den Schutzschirm für Unternehmen stellen. Er forderte außerdem, betroffenen Stadtwerken schnell Liquiditätshilfen über Bürgschaften und Kredite zu gewähren. Ein Insolvenzmoratorium muss zudem seiner Ansicht nach kurzfristig auf den Weg gebracht werden, um die Pflicht zu Insolvenzanträgen auszusetzen.
Auch Verkehrsbetriebe, kommunale Krankenhäuser, Schulen, Bäder und weitere öffentliche Einrichtungen bekämen die Folgen der Energiekrise zu spüren. Zudem forderte Dedy eine ehrliche Debatte: «Wir müssen darüber reden: Auf welchen Komfort können wir verzichten und was bleibt vor Ort notwendig? Da geht es etwa um Straßenbeleuchtung und Ampelschaltungen, um warmes Wasser in öffentlichen Gebäuden, um Museen und Sporthallen, um Lüfter in Schulen oder um Klimaanlagen.»
Habeck: Quasi «wirtschaftskriegerische» Auseinandersetzung
Um das Risiko eines Ausbleiben des Gases einzuschätzen, müsste man in den Kopf des russischen Präsidenten Wladimir Putin gucken können, sagte Habeck am Samstagabend bei einer Veranstaltung der Wochenzeitung «Die Zeit» in Hamburg. «Aber man sieht ein Muster, und das kann zu diesem Szenario führen.» Man habe es mit «einer quasi wirtschaftskriegerischen Auseinandersetzung» zu tun.
Habeck sagte, das russische Kalkül sei es dabei, die Preise in Deutschland hochzuhalten, um damit «die Einheit und Solidarität des Landes zu zerstören». Er verwies auf den Beginn der Schritte vom Stopp der Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien bis zur aktuellen Lage.
Mit Energiesparkampagnen und der Verwendung von Kohle versuche Deutschland darauf zu reagieren. Auf die bisherige Verminderung russischen Gases könne logischerweise der nächste Schritt kommen.
Minister sieht zwei Möglichkeiten
Mit Blick auf Versorger wie den in Not geratenen größten deutschen Gasimporteur Uniper sagte Habeck: Die Unternehmen, die sehr viel russisches Gas eingeführt haben, «die haben ein echtes Problem». Sie müssten ihre Lieferverträge etwa an Stadtwerke erfüllen, allerdings müssten sie dafür viel teurer Gas woanders einkaufen.
Es gebe zwei Möglichkeiten: Entweder der Staat unterstütze die Unternehmen mit Steuergeld. «Oder man erlaubt den Unternehmen, die Preise weiterzugeben.» Dies sei im Energiesicherungsgesetz vorgesehen, mit dem in den 70er Jahren der sogenannte autofreie Sonntag eingeführt worden sei. Gespräche über eine wohl nötige Änderung des Gesetzes liefen.
Ein Paragraf, der den Unternehmen erlauben würde, die Preise außerhalb der Vertragsbindung weiterzugeben, sei bisher aber nicht aktiviert worden. Denn dies sei «ein sehr, sehr scharfes Schwert». Die Kunden des Unternehmens würden dann die volle Preisanpassung sofort bekommen. Die Regierung arbeite noch an anderen Möglichkeiten, «die vielleicht den Keil nicht so scharf in die Gesellschaft treiben».