Der Handel in Deutschland hat vor Belastungen durch ein geplantes europäisches Lieferkettengesetz gewarnt.
In einem Schreiben von Handelspräsident Josef Sanktjohanser an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heißt es, ein Lieferkettengesetz, das so ausgestaltet sei, dass es weite Teile des Mittelstandes «maßlos überfordere», sei derzeit nicht vermittelbar – gerade in einer Situation, in der weltweit etablierte Lieferketten zusammenbrechen. Das Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag, ging anlässlich des Europatags am Montag (9. Mai) auch an Bundeskanzler Olaf Scholz.
Gesetz mit Stufenverantwortung
«Mittelständische Einzelhändler sind schlicht nicht in der Lage, ihre gesamten Lieferketten bis hin zum Sub-Sub-Sub-Unternehmer des Herstellers am anderen Ende der Welt rechtssicher zu überwachen», heißt es. «Hier muss dringend nachgebessert werden, indem zumindest auch auf EU-Ebene das im deutschen Gesetz verankerte Prinzip einer Stufenverantwortung angewendet wird.»
Große Firmen in der EU sollen für Kinder- oder Zwangsarbeit und Umweltverschmutzung ihrer internationalen Lieferanten verantwortlich gemacht werden. Die EU-Kommission plant ein entsprechendes EU-Lieferkettengesetz. Die Richtlinie könnte strenger werden als die deutsche Regelung, weil deutlich mehr Firmen von den neuen Regeln betroffen sein könnten. Das deutsche Gesetz gilt ab 2023, und zwar vorerst für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten. Von 2024 an sinkt diese Schwelle auf 1000.
Der Handel trage die Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland vollumfänglich mit, heißt es im Schreiben von Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE). «Was aber jetzt schon klar ist: Die neue Weltlage erfordert eine umfassende Neujustierung unserer Lieferketten: bei fossilen Brennstoffen, Rohstoffen, Lebensmittelrohstoffen und zahlreichen Vorprodukten. Diese Umsteuerung geschieht jetzt und ist für unsere Unternehmen mit enormen Kosten, Unsicherheiten und logistischem Aufwand verbunden.»