Manche holen Ende September freudig die Kerzen raus und kochen Kürbissuppe. Andere versuchen, ein wenig am Sommer festzuhalten – noch einmal abends draußen sitzen, noch einmal Eis essen.
Mit dem Herbst stellt sich ein ganz spezielles Gefühl ein. Oft eine Mischung aus Nachdenklichkeit und einer diffusen Traurigkeit. «Tatsächlich ist der Herbst die melancholische Jahreszeit», sagt der Psychotherapeut Wolfgang Krüger. «Es wird schneller dunkel. Und es wird kalt, man kann sich nicht mehr so leicht draußen treffen, das Leben verlagert sich in die Innenräume».
Jahreszeiten beeinflussen nachweislich die Psyche
Doch woher kommt diese Melancholie genau? Laut einem Überblicksartikel in der psychologischen Zeitschrift «Perspectives on Psychological Science» wirken sich Jahreszeiten nachweislich auf die menschliche Psyche aus.
Ein Beispiel: Je nachdem, wie viel natürliches Sonnenlicht wir bekommen, kann unser Gehirn mehr oder weniger Serotonin binden und umsetzen – das Glückshormon. Gehen die Sonnenstunden im Herbst zurück, senkt das den Serotoninspiegel und damit unsere Grundstimmung.
Manche können der bittersüßen Melancholie etwas abgewinnen, anderen schlägt sie richtig aufs Gemüt. Das lässt sich aber oft steuern. Laut Psychotherapeut Krüger kommen wir gut durch den Herbst, «wenn wir es lernen Bilanz zu ziehen, über unser Leben nachzudenken und die Zukunft zu entwerfen». Denn: «Der Herbst ist die Jahreszeit der Reflexion» – Stichwort innen.
Reflektieren, planen, neu starten
Und auch dafür – also dass der Herbst sich gegenüber anderen Jahreszeiten besonders gut zum Reflektieren eignet – gibt es wissenschaftliche Anknüpfungspunkte.
So zitiert der Artikel in der «Perspectives on Psychological Science» eine Studie, die sich mit den Schwankungen der kognitiven Leistungsfähigkeit im Jahreszeitenverlauf beschäftigt hat. Heraus kam: Das Arbeitsgedächtnis der Probanden, also ihre Fähigkeit, Informationen kurzfristig zu speichern und zu verarbeiten, war im Herbst am stärksten.
Reflektieren, was bisher gut lief, wo man steht und was man gern ändern oder neu angehen möchte – dazu bietet sich diese Zeit auch an, weil viele Sommerende und Herbstanfang unbewusst mit einem «Back to School»-Gefühl verbinden und motiviert sind, etwas neu oder besser zu machen. Auch hierzulande wird aktuell häufiger über den «September Reset», zu deutsch etwa «Neustart im September», berichtet und danach gegoogelt.
Teil des Plans: Herbst- und Winter-Blues vorbeugen
Mit einer solchen Bestandsaufnahme und Planung der nächsten Wochen und Monate können wir uns sogar ganz bewusst auf den Winter vorbereiten und versuchen, einem Winter Blues – negativen Verstimmungen in der dunklen Jahreszeit – vorzubeugen.
Experten für mentale Gesundheit empfehlen auf dem Portal «Verywell Mind», sich im Herbst neue Ziele für die kommenden Monate zu setzen. Was motiviert mich, worauf möchte ich mich konzentrieren, warum ist mir das wichtig und welche konkreten Schritte helfen bei dem Vorhaben? Das sind Fragen, die man sich dabei stellen kann.
Und wir können unsere Interessen pflegen, etwa Bücher lesen oder schreiben, häkeln, stricken, die man gut in der dunklen Jahreszeit pflegen kann, so Wolfgang Krüger.
Bei aller Gemütlichkeit und Innenschau sollten wir aber darauf achten, uns nicht zu sehr zurückzuziehen, rät der Psychotherapeut, sondern «uns um Freundschaften, aber auch um die Liebe kümmern».
Und: Auch und gerade in der dunkleren Zeit ist es wichtig, Zeit im Freien zu verbringen und sich zu bewegen – das hilft dem Serotoninspiegel.