Ein eingespieltes und erfolgreiches Team: Finneas O'Connell und Billie Eilish. Mit ihrem Barbie-Song «What Was I Made For?» wurden die beiden mit einem Oscar ausgezeichnet. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jordan Strauss/AP/dpa)

Meistgestreamte Spotify-Künstlerin 2019 und 2020 weltweit, neun Grammys, zwei Oscars als jüngste Person überhaupt, unzählige Schallplatten in Gold, Silber und Platin. Hinter diesem Berg an Auszeichnungen und Superlativen stecken zwei Geschwister aus Los Angeles, die die Musikwelt in den vergangenen fünf Jahren auf den Kopf gestellt haben. Billie Eilish und ihr Bruder Finneas haben bereits zu Beginn ihrer Karriere praktisch alles erreicht, von dem lange etablierte Musikerinnen und Musiker träumen.

Während die 22-jährige Sängerin und Songwriterin im Rampenlicht steht, unterstützt ihr älterer Bruder sie aus der zweiten Reihe als Produzent, Songwriter und Musiker. «Die Liebe, das Vertrauen und die Intimität zwischen den beiden ist besonders», sagt die Musikwissenschaftlerin Jessica Holmes von der Universität Kopenhagen. «Darin sehe ich auch einen Grund für ihren großen Erfolg.»

Dieser These stimmt Derek von Krogh, künstlerischer Leiter der Popakademie Baden-Württemberg, zu: «Man merkt, dass da nicht viel von außen kommt, sondern die beiden gemeinsam ihr Ding machen.»

Am Freitag (17. Mai) erscheint Billie Eilishs drittes Album mit dem Titel «Hit Me Hard and Soft». Single-Auskopplungen gibt es keine und auch keinen Vorab-Stream für die Presse. Nur ein paar wenige Audioschnipsel, die im Netz kursieren und ein paar angespielte Tracks auf dem Coachella-Festival lassen erahnen, in welche Richtung das neue Album musikalisch geht.

Düstere Chorstimmen und ein verstimmtes Klavier

Der Track «Chihiro», der laut den Fans auf den Filmklassiker «Chihiros Reise ins Zauberland» anspielen könnte, klingt nach einem für Eilish typischen Mix aus tanzbarem Beat und weichem Gesang, wie man ihn bereits aus «All the Good Girls Go to Hell» kennt. Weitere Song-Schnipsel, die Fans dem angekündigten Song «Bittersuite» zuordnen, klingen atmosphärisch-düster mit Chorstimmen, einem verstimmten Klavier und dunklen Beats im Hintergrund.

Besonders spannend dürfte der Song «Lunch» werden, in dem die Sängerin auf eine prägnante Bassline fast schon betont unschuldig Zeilen haucht wie: «I could eat that girl for lunch» (Ich könnte dieses Mädchen zum Mittag vernaschen).

In einem Interview mit dem Musikmagazin «Rolling Stone» sagte die 22-Jährige gewohnt selbstbewusst und entwaffnend ehrlich: «Ich war schon mein ganzes Leben in Mädchen verliebt, ich habe es nur nicht verstanden – bis ich letztes Jahr gemerkt habe, dass ich gerne mit meinem Gesicht in einer Vagina wäre.» Ein wenig leiser gab die junge Frau jedoch später zu, dass ihr vorheriges Outing auf einem roten Teppich im Dezember nicht geplant war und sie dazu tendiere, zu viele Dinge aus ihrem Privatleben mit der Öffentlichkeit zu teilen.

«Eilish braucht kein Queerbaiting»

Manche Stimmen haben Eilish in der Vergangenheit sogenanntes Queerbaiting vorgeworfen, also die bewusste Vermarktung einer Queerness, die in der Realität gar nicht besteht. Musikwissenschaftlerin Holmes machen solche Vorwürfe wütend: «Eilish braucht kein ‚Queerbaiting‘, um ihre Platten zu verkaufen. Das ist eine extrem sexistische, unfaire Kritik.» Die Künstlerin sagte selbst, niemand solle unter Druck gesetzt werden, sich labeln zu müssen. «Ich finde doch gerade selbst erst heraus, wer ich bin.»

Und dieser Weg führt Eilish anscheinend auch wieder zurück zu ihrem legendären Debütalbum «When We All Fall Asleep, Where Do We Go?» aus dem Jahr 2019 – und damit auch zu düsteren Themen wie Depressionen und Ängste. In einem Interview sagte Eilish, sie habe nach dem Mädchen gesucht, welches sie einmal war.

Die Brücke zum Debütalbum schlägt auch das düster gestaltete Albumcover, welches Billie Eilish allein unter Wasser zeigt. Holmes sagt: «Wir sehen in der Bildsprache eine Kontinuität mit einigen Bildern, die wir von früher kennen: Billie allein in lebensgefährlichen Situationen, eine unbekannte Gefahr außerhalb des Bildes bedroht sie.»

Auch die Kalligrafie der beiden Alben ist auffällig ähnlich. Zehn Lieder stehen auf der Trackliste von «Hit Me Hard and Soft», welche wie der Titel selbst allesamt in Großbuchstaben verfasst sind. «Das ist besonders spannend, weil wir Billie Eilish als eher leise Sängerin mit weicher Stimme kennen», sagt Holmes. Sie sei jedoch auch für Kontraste bekannt. «Vielleicht ist es auch ein: ‚Triff mich hart mit den Großbuchstaben und weich mit der Stimme’».

«Egal in welche Richtung das neue Album geht, es wird auf jeden Fall nicht langweilig», ist sich von Krogh sicher, was das Werk der beiden Geschwister Billie und Finneas betrifft. «Solche Kunst tut der Welt einfach gut. Ich wünsche den beiden alles Glück der Welt.»

Von Sophia Reddig, dpa

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