Der künftigte Intendant des Hauses der Kulturen der Welt, Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, steht im Garten des Gropius Baus Berlin. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Annette Riedl/dpa)

Der künftige Intendant des Hauses der Kulturen der Welt (HKW), Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, sieht sich zu Unrecht in die Nähe der antiisraelischen BDS-Bewegung gerückt. «Ich habe die BDS-Bewegung nicht unterstützt und unterstütze sie auch heute nicht. Ich stehe dem BDS nicht nah», sagte Ndikung am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Es gehört zu meinen Prinzipien, niemanden wegen seiner Herkunft, Religion oder Staatsbürgerschaft auszugrenzen.»

BDS steht für «Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen». Die Bewegung will Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren.

Ndikung verwies auf seine kuratorische Arbeit, mit der er sowohl israelische wie jüdische Künstlerinnen und Künstler, aber auch palästinensische, lateinamerikanische, asiatische und afrikanische sowie diasporische Künstlerinnen und Künstler gefördert habe.

Ndikung zählt auch zu den Unterstützern der «Initiative GG 5.3. Weltoffenheit» führender Kulturrepräsentanten, die sich gegen den BDS-Bundestagsbeschluss gewandt hatte. «Die Initiative lehnt zuvorderst den Boykott Israels durch den BDS ab», erläuterte Ndikung. «Sie wendet sich ebenfalls gegen die missbräuchliche Verwendung von Antisemitismusvorwürfen. Diese Punkte teile ich.» Der Bundestag distanzierte sich 2019 in einem Beschluss von der BDS-Kampagne.

Kann «die Vergangenheit nicht löschen»

Ein Facebook-Posting von 2014 bedauert er im Nachhinein. Nach einem israelischen Angriff auf eine UN-Schule in einem Flüchtlingslager in Gaza mit 15 Toten hatte Ndikung geschrieben: «They will pay a million fold for every drop of blood in GAZA! Palestine shall be free… come rain or shine!» (etwa: Sie werden für jeden Tropfen Blut in Gaza millionenfach bezahlen! Palestina wird frei sein… komme, was wolle!). «Trotz des Schmerzes, den ich fühlte, würde ich das heute so nicht mehr schreiben», sagte Ndikung. «Ich kann die Vergangenheit aber nicht löschen. Teil meiner Arbeit als Intendant des HKW wird es sein, gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit, und für Solidarität einzutreten.»

Ndikung verwies darauf, das «They» (für: Sie) seien die Angreifenden und gleichzeitig die Leidtragenden – egal auf welcher Seite. Millionen Menschen wollten in der Region in Frieden leben – ihnen werde diese Hoffnung immer wieder verwehrt. «Keine Seite kann ein Interesse daran haben, wenn auf Jahre keine Perspektive auf Frieden besteht», sagte Ndikung. «Seitdem ich denken kann, fließt in Israel und Palästina Blut von unschuldigen Menschen; vor allem von Zivilisten, die unheimlich leiden.» Er habe mit diesem Satz den Teufelskreis aus Gewalt und Gegengewalt beschrieben, der sich stetig potenziert. «Es gibt keine Gewinner in diesem Konflikt.»

Er verwies auf persönliche Erfahrungen mit den Folgen von politischen Unruhen und Krieg in seiner Heimat Kamerun. «Deswegen nehmen mich Bilder von kriegerischen Konflikten persönlich mit», sagte Ndikung. Er merke heute, dass es vor allem ein emotionaler Moment war, in dem er das Posting schrieb.

Debattenkultur gefordert

«Kunst und Kunstveranstaltungen müssen Orte des Austauschs, nicht des Ausschlusses sein», sagte der 45-Jährige. Es gehe um Orte, an denen diskutiert werde, Stimmen hörbar gemacht werden und Menschenverachtung keinen Platz habe. «Wir brauchen eine Debattenkultur, in der gegenseitige Positionen sich nicht aus dem Weg gehen, sondern sich begegnen können. Nur so können wir voneinander lernen und nur so können wir eine bessere Welt aufbauen.»

Der aus Kamerun stammende Kurator und Kulturmanager wird im Januar Nachfolger des bisherigen Intendanten Bernd Scherer. Der promovierte Biotechnologe lehrt an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin, ist Mitherausgeber zahlreicher Publikationen zu Kulturkritik und Ausstellungstheorie und war 2015 Mitglied im Kuratorenteam der documenta 14 in Kassel und Athen. In Berlin, wo er studierte und nach einer Station in Frankreich auch wieder lebt, leitet er zudem den Kunstraum Savvy Contemporary.

Kunst lebe von der Kritik, er freue sich darauf, wenn man sich mit seiner künstlerischen Leitung des HKW auseinandersetzen werde. «Manchen scheint es aber um etwas anderes zu gehen», sagte Ndikung. «Jeder weiß, dass ich den BDS nicht unterstütze. Jeder weiß, dass ich das Existenzrecht Israels anerkenne, mehr noch: Es ist für mich nicht verhandelbar. Trotzdem werden gegenteilige Verdächtigungen geäußert.»

Er frage sich natürlich warum. Als einer der ersten Afrikaner werde er eine wichtige Institution in Deutschland leiten. «Meine Arbeit und die meines Teams werden deshalb besonders unter Beobachtung stehen», sagte Ndikung. «Ich wünsche mir, dass die Beurteilung der Arbeit vorurteilsfrei stattfindet.» Es sei aber nicht das erste Mal, dass er sich als Schwarzer in Deutschland mit Vorurteilen und Alltagsrassismus konfrontiert sehe.

«Es ist klar, dass ich auch und gerade als Intendant des HKW auf dem Boden des Grundgesetzes handeln werde», sagte Ndikung. «Gerade weil meine Familie aus einem Land kommt, das Diskriminierung, Rassismus und Bürgerkrieg erlebt hat, trete ich ganz besonders für Frieden und Aussöhnung ein.»

Das Haus der Kulturen der Welt ist als Bundeseinrichtung Teil der Gesellschaft, die auch die Internationalen Filmfestspiele Berlin und die Berliner Festspiele mit dem Martin-Gropius-Bau trägt.

Von Gerd Roth, dpa

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