Trotz eines erneuten Mitgliederschwunds hat sich die IG Metall kampfbereit gezeigt. Die Mitglieder erwarteten steigende Reallöhne sowie mehr Sicherheit beim digitalen und klimaneutralen Umbau der Industrie, sagte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann am Donnerstag.
Man werde mit entsprechenden Forderungen in die Tarifverhandlungen für Textil, Stahl sowie Metall und Elektro gehen und zudem auf Zukunftstarifverträge drängen, in denen Strategie und Beschäftigung der einzelnen Unternehmen vereinbart werde. «Nur wer frühzeitig mit seinen Beschäftigten einen Plan entwirft, hat auch eine Zukunft», sagte Hofmann.
Der IG-Metall-Chef verlangte für die Beschäftigten ein Sicherheitsversprechen beim Umbau der Industrie durch Digitalisierung und Dekarbonisierung. «Mit der dunklen Triade aus Abbauen, Schließen, Verlagern werden wir die Transformation in Deutschland nicht meistern. Wenn Deutschland starkes Industrieland bleiben will, muss massiv in die Zukunft, auch die der Beschäftigten, investiert werden.»
Zweiter größerer Mitgliederschwund
Mit knapp 2,17 Millionen Mitgliedern zum Jahresende 2021 bleibt die IG Metall die größte deutsche Einzelgewerkschaft, verlor aber im Vergleich zum Vorjahr knapp 45.500 Menschen oder 2,1 Prozent ihrer Mitglieder. Das ist nach 2020 der zweite größere Schwund seit der Finanzkrise 2008/2009, wie Hofmann einräumte. Gründe seien fehlende Kontaktmöglichkeiten in der Pandemie und der Stellenabbau in den von der IG Metall abgedeckten Branchen.
Wegen höherer Löhne stiegen die Mitgliedsbeiträge leicht auf 592 Millionen Euro, erreichten aber nicht das Rekordniveau von 2019. Erneut wanderte mit 89 Millionen Euro ein stattlicher Betrag in die Rückstellungen, die unter anderem für Streiks genutzt werden können. «Keine politische Aktion, kein Streik wird am Geld scheitern», erklärte Hauptkassierer Jürgen Kerner.
Die zweite Vorsitzende Christiane Benner verlangte für die Gewerkschaften ein digitales Zutrittsrecht zu den Betrieben. Dies müsse von der Bundesregierung bei der fälligen Überprüfung des gesamten Betriebsverfassungsgesetzes geregelt werden, statt das «Reförmchen» Betriebsrätemodernisierungsgesetz zu evaluieren. Bei den anstehenden Betriebsratswahlen sehe die IG Metall zwar die Aufstellung konkurrierender Listen, aber keine gravierende Zunahme explizit rechter Aktivitäten, sagte Benner. Man wolle die Beschäftigten durch gute Arbeit vor Ort überzeugen und eine hohe Wahlbeteiligung erreichen.
Tarifrunden stehen an
In den anstehenden Tarifrunden will sich die Gewerkschaft nach Hofmanns Worten trotz der vergleichsweise hohen Teuerung am Inflationszielwert der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent orientieren. Sie bilde gemeinsam mit der Produktivitätsentwicklung und dem Verteilungsspielraum die Grundlage für die Forderung, über die im Fall der Metall- und Elektroindustrie ab Juni die Tarifkommissionen beraten sollen. Die M+E-Industrie befinde sich zweifellos weiter auf Erholungskurs. Mittelfristig müsse wegen der fragilen Lieferketten wieder mehr Produktion nach Europa und Deutschland verlagert werden. Hofmann sagte: ««Hauptsache billig» ist langfristig eben doch keine erfolgversprechende Strategie.»
Der Vorschlag, die SPD-Politikerin und Chemie-Gewerkschafterin Yasmin Fahimi zur neuen Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu machen, werde von allen Einzelgewerkschaften getragen, sagte Hofmann. Die mit dem Vorschlagsrecht ausgestattete IG Metall konnte nach seinen Worten in den eigenen Reihen keine geeignete Kandidatin überzeugen, sich zum DGB-Vorsitz bereitzuerklären. Gemeint war damit offensichtlich seine Stellvertreterin Benner, der Ambitionen auf den IG-Metall-Vorsitz nachgesagt werden. Der 66 Jahre alte Hofmann bekräftigte, beim nächsten Gewerkschaftstag im Herbst 2023 nicht mehr antreten zu wollen.