Die Sängerin Ellie Goulding bei der Eröffnung des Reeperbahn-Festivals in Hamburg. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Axel Heimken/dpa)

Die Schere könnte kaum weiter auseinander gehen: Obwohl immer mehr Menschen eine Geschlechterbalance auf den Musikbühnen und beim Hören von Musik wichtig ist, ist der Anteil der Frauen in der Branche noch immer gering. Doch es gibt eine Chance auf Veränderung, wenn die Musikindustrie die Wünsche vor allem der jüngsten Kundschaft ernster nimmt. Das hat eine Studie zur Geschlechtervielfalt bei Musikangeboten ergeben, die am Donnerstag beim Reeperbahn-Festival in Hamburg vorgestellt wurde.

So spiele beispielsweise bei rund 40 Prozent der 16- bis 29-Jährigen schon jetzt das ausgewogene Geschlechterverhältnis auf Festivals eine Rolle bei der Kaufentscheidung für ein Ticket, 54 Prozent wollen künftig stärker darauf achten. Bei den 30- bis 49-Jährigen interessiert dieser Fakt derzeit 29 Prozent der Befragten und 41 Prozent dieser Altersgruppe wollen künftig stärker vorm Kauf auf ein Gleichgewicht der Geschlechter achten.

Beim Hören von Musik im Radio oder bei Streamingdiensten interessiert die Ausgewohnheit zwischen Männern und Frauen in beiden Altersgruppen fast ein Drittel der Befragten.

Die Branche hinkt hinterher

Für Festival-Chef Alexander Schulz sind diese Ergebnisse wichtig für die Musikindustrie, weil sie seiner Meinung nach zukunftsweisend sind. Diese jungen Leute seien die Käufer von morgen, sagte Schulz am Donnerstag in Hamburg. Es lohne sich also, mehr Künstlerinnen in die Playlists zu nehmen und sich so von Mitbewerbern abzuheben. «Weil ich dann einen Marktvorteil habe, nichts anderes ist es.» Er gehe fest davon aus, dass auch im Musikmarkt die Kundinnen und Kunden selbst durch ihre Entscheidungen etwas bewegen können. «Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben die Kraft so auf die Hersteller einzuwirken, dass die Produkte verändert werden.»

Die Studie hat aber auch gezeigt, dass bislang eher wenige Menschen gendergerechte Konzerte, Festivals und Angebote von Streamingdiensten kennen. «Da ist noch sehr viel Luft nach oben», sagte Studienleiter Andreas Hombach dazu.

Das zeige sich auch in der Realität, sagte Anna Groß von der Malisa-Stiftung von Maria und Elisabeth Furtwängler. Die Stiftung hat die Geschlechtergleichheit in der Musikindustrie – also beispielsweise beim Songwriting, in den Charts, unter den Gema-Mitgliedern und auf den Bühnen – untersucht. «Der Frauenanteil bleibt in vielen Teilen weit unter einem Fünftel», sagte Groß dazu. Zum Teil seien die Zahlen in den vergangenen Jahren sogar noch leicht zurückgegangen statt zu steigen. Eine Quote könne ein gutes Instrument auf dem Weg zu mehr Weiblichkeit in der Musikbranche sein.

Die vom Reeperbahn-Festival in Auftrag gegebene repräsentative Studie ist Teil der 2017 angestoßenen sogenannten Keychange-Offensive. Seitdem macht sich das Festival, das nicht nur Clubfestival, sondern auch internationaler Branchentreff ist, für die Stärkung der Frauen in der Musikwelt stark – sowohl vor als auch hinter den Kulissen. Das geschehe durch Netzwerkarbeit, Schulungen, Mentoring und Präsenzmöglichkeiten für Frauen. Außerdem sind mit Verbänden und Unternehmen Selbstverpflichtungen mit Blick auf eine Frauenquote vereinbart worden. Die Zahl der Partner steigt den Angaben zufolge stetig.

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