Die Jungwinzer Thomas (r) und Martin Phillips arbeiten im Weinkeller. Die Brüder bauten den Weinbau-Hobbybetrieb ihrer Eltern von 0,3 Hektar zu einem Vollerwerbsbetrieb mit rund sechs Hektar aus. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Thomas Frey/dpa)

Die Weinbaulandschaft in Deutschland ist im Wandel: Es gibt weniger, aber größere Betriebe. «Wir beobachten seit vielen Jahren einen Konzentrationsprozess im deutschen Weinbau», berichtet Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Viele Winzer haben keinen Nachfolger, geben auf und verkaufen an erfolgreiche Betriebe. Die gesamte Rebfläche in Deutschland bleibt aber konstant. Und eine Reihe junger Weinbauern und -bäuerinnen setzt andere Schwerpunkte als ihre Eltern und Großeltern.

Fast jeder fünfte Betrieb (19 Prozent) hatte 2020 mehr als zehn Hektar Rebfläche, wie Büscher sagt. Diese Weinbauern bewirtschafteten 62 Prozent der gesamtdeutschen Rebfläche. Zehn Jahre zuvor gehörte nur die Hälfte der gesamten Rebfläche zu den Betrieben mit mehr als zehn Hektar. Neuere Zahlen gibt es nicht.

Der klassische Winzer müsse inzwischen alles machen, auch Marketing, sagt Professor Jon Hanf von der Hochschule Geisenheim. Ein weltweites strukturelles Überangebot an Wein hat nach seiner Einschätzung die Wettbewerbsintensität deutlich gesteigert. Zur Arbeitsteiligkeit kämen höhere Löhne für Arbeitnehmer als für Familienangehörige. Daraus resultiere der Druck, in großen Einheiten produzieren zu müssen, um mehr Mengen zu verkaufen und arbeitsteilig arbeiten zu können. Die Konzentration der Betriebe sei die Folge.

Was macht die neue Generation von Winzern aus?

«Dort wo die junge Generation ins Weingut einsteigt, wird oftmals in neue Vinotheken oder Technologien investiert und auf Qualität gesetzt», berichtet Büscher. «Dafür werden dann größere Flächen benötigt, weil mit zunehmender Qualität die Erträge in der Regel sinken.»

So wie bei Thomas (40) und Martin (36) Philipps vom Weingut Philipps-Mühle am Mittelrhein. Das Müllerhandwerk des Vaters hatte in dem Familienbetrieb keine Zukunft mehr. Die Brüder bauten den Weinbau-Hobbybetrieb ihrer Eltern von 0,3 Hektar zu einem Vollerwerbsbetrieb mit rund sechs Hektar aus und eröffneten nahe der Loreley eine Vinothek mit Weincafé.

Shanna Reis führt in vierter Generation das Weingut Reis @ Luff im rheinhessischen Aspisheim – mit Unterstützung ihres Schwagers, der Eltern und Großeltern. Die 31-Jährige, die auch Jägerin, Buchautorin und Doktorandin ist, macht etwa ein Drittel der 30 Weine selbst, hat dabei auch eine junge Zielgruppe im Blick und schenkt im Hotel und Café ihrer Schwester aus – fünf Kilometer entfernt in Gensingen.

Einen hohen Qualitätsanspruch hat auch der 24 Jahre alte Carlo Schmitt von der Mosel, der den Familienbetrieb nach Ausbildung und Studium in dritter Generation führt. Er war elf Jahre alt, als sein Vater in einer Steillage tödlich verunglückte. Das Weingut habe danach drastisch auf 1,5 Hektar verkleinert werden müssen. Inzwischen sei es fast doppelt so groß und soll weiter wachsen.

Was ist der neuen Generation beim Weinanbau wichtig?

«Wir haben die bestausgebildete Winzergeneration jemals», sagt Jürgen Oberhofer vom Institut für Weinbau und Oenologie des DLR Rheinpfalz. «Früher war es reines Handwerk und heute benötigt man fast noch eine zweite Ausbildung zum Büromanager», beschreibt er die Herausforderungen. Aber: «Wein hat ein sehr gutes Image.» Und auch Quereinsteiger haben Interesse, einen Betrieb zu übernehmen. Oft fehle ihnen aber das Geld. «Denn in der Fläche ist viel Kapital gebunden.»

Für die jungen Weinbauern spielen Bio, Nachhaltigkeit und neue pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwis) auch eine entscheidende Rolle. «Oftmals findet die Umstellung auf den Ökoweinbau in den Betrieben mit dem Generationswechsel statt», stellt Büscher fest. «Wenn die Generation Fridays for Future älter wird und auf den Weingeschmack kommt, wird sie sicherlich Weine bevorzugen, die von unbehandelten Trauben der nachhaltigen Rebsorten stammen.»

Die Brüder von der Philipps-Mühle haben 2021 mit der dreijährigen Umstellung auf Biowein begonnen und pflanzen jetzt auch Piwis. Shanna Reis aus Rheinhessen sagt: «Weinbau ist eine Monokultur. Wir pflanzen auch Wald an.» Nachhaltigkeit ist für sie «ein Herzensthema», aus wirtschaftlichen Gründen und mit Rücksicht auf unterschiedliche Vorstellungen der Generationen mit «Ziel und Augenmaß» umsetzbar.

Wie sieht die Zusammenarbeit aus?

«Den Druck aus der Familie, das Weingut zu übernehmen, gibt es kaum noch», berichtet die Vorsitzende von Wein.Im.Puls in Württemberg, Mara Walz. Mehr als 60 Betriebe sind in der Vereinigung junger Winzer aus der Region zusammengeschlossen. Sie füllen unter anderem jedes Jahr eine weiße und eine rote Cuvée gemeinsam ab – also einen Wein aus verschiedenen Rebsorten. «Die neue Generation an Winzern ist offen. Wir sehen den Nachbarn nicht als Konkurrent, sondern als Kollegen», sagt die 31-Jährige. Dabei seien viele Freundschaften und auch schon Ehen entstanden.

Enger Austausch, Auslandserfahrung und Events: «Der Winzernachwuchs hat mit seinen frischen Ideen und unkomplizierten Weinpräsentation sehr stark dazu beigetragen, dass Wein hierzulande insgesamt als trendiges Produkt angesehen wird», sagt Büscher. «Das ist in anderen europäischen Weinerzeugerländern nicht immer der Fall.» Die junge Winzer-Generation mache vor allem eine «massive Professionalisierung aus», sagt Professor Hanf. Viele Studierende, die aus kleinen Weingütern stammten, wollten auch gar nicht mehr dahin zurück, sondern woanders in der Branche arbeiten.

Von Ira Schaible, dpa

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