Zur Bekämpfung der hohen Inflationsrate steht die US-Notenbank vor ihrer zweiten Erhöhung des Leitzinses seit dem Beginn der Coronavirus-Pandemie.
Die Entscheidung zum weiteren Kurs der Geldpolitik der Federal Reserve (Fed) für die weltgrößte Volkswirtschaft wird heute bekanntgegeben. Erwartet wird eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte auf eine Spanne von dann 0,75 bis 1 Prozent. Es wäre die erste solch starke Erhöhung seit 22 Jahren. Für gewöhnlich zieht es die Fed vor, den Leitzins in Schritten von 0,25 Prozentpunkten anzuheben.
Im Anschluss an die Sitzung des Zentralbankrats wird Notenbankchef Jerome Powell die Beweggründe der Fed vor Journalisten erläutern und einen Ausblick auf den weiteren Kurs der Geldpolitik geben. Der Druck auf die Fed ist derzeit groß, denn die Teuerungsrate in der weltgrößten Volkswirtschaft ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr, was die Kaufkraft der Verbraucher schmälert.
Weitere Schritte erwartet
Analysten rechnen in diesem Jahr noch mit mehreren weiteren Zinsschritten. Auch will die Fed ihre infolge der Corona-Notprogramme auf rund neun Billionen US-Dollar angeschwollene Bilanz rasch reduzieren, was den Märkten weitere Liquidität entziehen würde. Analysten erwarten an diesem Mittwoch Details zum geplanten Abbau.
Powell hatte Ende April relativ klar signalisiert, dass bei der Sitzung des Zentralbankrats mit einer Erhöhung von 0,5 Prozentpunkten zu rechnen ist. Es sei angesichts der hohen Inflationsrate und robusten Konjunkturentwicklung «angemessen, ein bisschen schneller vorzugehen», sagte Powell. Das Ziel sei es, die Werkzeuge der Zentralbank so einzusetzen, dass sich Angebot und Nachfrage wieder anpassten und die Inflation zurückgehe. Die Konjunktur solle sich in einer Weise abkühlen, die nicht einer «Rezession» entspreche. Der Balanceakt werde nicht einfach sein, sagte er. «Es wird eine große Herausforderung sein. Wir werden unser Allerbestes geben, um das zu erreichen», versprach Powell.
Erhöhungen des Leitzinses verteuern Kredite und bremsen die Nachfrage. Das hilft dabei, die Inflationsrate zu senken, schwächt aber auch das Wirtschaftswachstum. Für die Notenbank ist es daher ein Balanceakt: Sie will die Zinsen so stark anheben, dass die Inflation ausgebremst wird – ohne dabei gleichzeitig Konjunktur und Arbeitsmarkt abzuwürgen.
Eine weitere Herausforderung für die Zentralbank ist es, dass sie manche Ursachen der Preissteigerungen nur begrenzt beeinflussen kann. Die Unterbrechungen globaler Lieferketten und steigende Energiepreise etwa reagieren nicht direkt auf den Leitzins. Auch die Folgen des Kriegs in der Ukraine oder neuer Corona-Lockdowns in China für die Teuerungsrate in den USA kann die Fed kaum kontrollieren.
Erhöhung zuletzt vor 22 Jahren
Die Fed hatte den milliardenschweren Ankauf von Wertpapieren im März eingestellt und ihren Leitzins erstmals seit der Corona-Krise um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte hatte es zuletzt vor 22 Jahren gegeben. Damit stieg der Zinssatz im Mai 2000 auf 6,5 Prozent – kurz vor dem Platzen der Internet-Blase, deren Folgen ab 2001 zu einer Reihe Absenkungen des Leitzinses führten.
Die Fed ist den Zielen der Preisstabilität und Vollbeschäftigung verpflichtet. Inzwischen brummt die US-Wirtschaft wieder, die Arbeitslosenquote war zuletzt auf niedrige 3,6 Prozent gefallen. Viele Firmen klagen bereits über einen Mangel an Arbeitskräften. Die Verbraucherpreise steigen allerdings seit Monaten rasant. Im März stiegen sie gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,5 Prozent. Die Fed strebt mittelfristig eine Inflationsrate von zwei Prozent an.
Dieses Ziel hat auch die Europäische Zentralbank (EZB). Der Leitzins im Währungsraum der 19 Länder liegt seit nunmehr rund sechs Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent. Inzwischen wird angesichts der Rekordinflation eine erste Zinserhöhung im Euroraum in diesem Sommer erwartet. Mehrere Mitglieder des EZB-Rats hatten zuletzt eine Erhöhung im Juli nicht ausgeschlossen.