Auch das zweite Corona-Jahr hat die Umtriebigkeit vieler Superstars aus Pop und Rock nicht bremsen können.
Brachten 2020 beispielsweise Bob Dylan, Bruce Springsteen, die Ärzte und Taylor Swift mitten in der Pandemie starke Alben heraus, so sind es in den nächsten Wochen gleich ein knappes Dutzend aus der A-Liga. Einer davon nennt sein neues Werk ganz offen «The Lockdown Sessions» – Musikmachen gegen die Langeweile also. Ein chronologischer Ausblick der Deutschen Presse-Agentur.
15. Oktober
Helene Fischer: Ihre Single kurz vor dem neuen Album «Rausch» heißt «Volle Kraft voraus». Und das ist bei Deutschlands stimmgewaltiger Pop-Königin wohl wörtlich zu nehmen – mit dem schneidigen Elan einer perfektionistischen Hochleistungs-Entertainerin nimmt die 37-Jährige, trotz all der prominenten Konkurrenz, Kurs auf die Charts-Spitze im Herbst. Ihr Sommer-Hit «Vamos a Marte» zusammen mit Global-Pop-Star Luis «Despacito» Fonsi aus Puerto Rico zeigte erneut, dass sich Fischer längst nicht mehr auf Teutonen-Schlager festlegen lässt.
Coldplay: Wer von den britischen Weltstars um Sänger Chris Martin (44) eine Rückkehr zum elegischen Indie-Sound ihrer Frühzeit erhofft, könnte abermals enttäuscht werden. Der flockig-eingängige Dance-Song «My Universe» mit den Korea-Pop-Überfliegern BTS deutet eher auf eine am Reißbrett geplante Ausweitung der Coldplay-Fanbase hin – Stichwort: «Generation TikTok». Nach dem ambitionierten Vorgänger «Everyday Life» (2019), dessen Resonanz in den USA mit Platz 7 enttäuschte, greift das vor 25 Jahren gegründete Quartett wieder an.
Santana: Noch einmal so erfolgreich sein wie 1999/2000 mit dem achtfachen Grammy-Album «Supernatural»: Das könnte der Plan des US-amerikanischen Star-Gitarristen Carlos Santana (74) sein, der jetzt erneut mit einer Busladung Gaststars auftrumpfen will. Die Promi-Namensliste des neuen Albums «Blessings And Miracles» würde also den Rahmen sprengen. «Move» mit Rob Thomas (Matchbox 20) gibt als Single schon einen Hinweis: Nach der seriösen Rückkehr zu den Wurzeln auf «Santana IV» (2016) geht’s nun wieder um Latin-Pop-Hits.
Marteria: Bescheidenheit wird nicht unbedingt groß geschrieben im deutschen Hip-Hop, auch der Nummer-eins-Rapper aus Rostock verzichtet gern darauf: Er sei «einer der größten und einflussreichsten Künstler*innen, die dieses Land je gesehen hat», schreibt Marten Laciny (38) alias Marteria auf Facebook. Sein neuer Song «Love, Peace & Happiness» wartet mit unvermeidlichen Featuring-Gästen wie ÄTNA & Yasha auf. Dass der vielfach ausgezeichnete Musiker tatsächlich etwas zu sagen hat, will er auch mit seinem Album «5. Dimension» beweisen.
Finneas: Qualitativ dürfte das Studio-Debüt von Billie Eilishs Bruder und Produzent Finneas Baird O’Connell (24) zu den Überraschungen des Herbstes gehören. «Optimist» ist eine hochklassige, hochmelodische Songwriter-Platte (Achtung Coldplay-Fans der ersten Stunde: Reinhören lohnt sich!). Dieser junge Mann kann nicht nur einen weltweit gefeierten Sound fürs Schwesterlein basteln, mit dem er selbst schon acht Grammys holte. Finneas sieht gut aus, schreibt feine Songs und hat eine tolle Stimme. Eine Pop-Familiendynastie kündigt sich an.
22. Oktober
Elton John: Was Santana kann, kann der gleichaltrige «Sir Elton» (74) schon lange: massenhaft berühmte Musik-Kumpels zusammentrommeln und über Zoom den Corona-Blues hinter sich lassen. Aber der große Charity-Kümmerer sucht auch Kontakt zu Talenten und fördert sie gern. Seine 16 Tracks umfassenden «Lockdown Sessions» bieten daher nicht nur etablierten Stars wie Stevie Wonder, Eddie Vedder oder Stevie Nicks eine Bühne. Sondern eben auch Dua Lipa, Miley Cyrus, Lil Nas X und Young Thug. Ein schillernder Gute-Laune-Gemischtwarenladen.
29. Oktober
Ed Sheeran: Seit zehn Jahren geht der britische Singer-Songwriter einen oft bestaunten Weg – als Klampfenmann von nebenan für die großen Arenen. Supereingängige Songs wie «Bad Habits» und «Shivers» zeigen aber gerade wieder, dass der 30-Jährige den Pop-Bogen so richtig raus hat. Das neue Studiowerk «=» (Equals) ist Teil vier von Sheerans Symbol-Albumserie und wird demnächst auch in einer Tournee präsentiert – na klar, in Stadien. Tickets für seine Auftritte in Gelsenkirchen, München und Frankfurt gingen weg wie warme Semmeln.
5. November
Diana Ross: Seit gefühlten Ewigkeiten hat die Motown-Soul-Königin kein Album mit neuen Liedern herausgebracht. Ihr Comeback «Thank You» soll nun zwischen einem frischen Sound und dem eindrucksvollen Lebenswerk der Diva (77) vermitteln. Dank dieser Methode hatte die einstige Supremes-Frontfrau schon in den 1970er und 80er Jahren mit Disco-Hits jüngere Fans gewonnen. Für ihre «Danke»-Songs holte sich Ross bekannte Songwriter und Produzenten dazu – etwa Jack Antonoff, der zuletzt Pop-Damen wie Taylor Swift und Lorde mit Erfolg betreute.
12. November
Rod Stewart: Der Brite mit der ewigen Ananas-Frisur und dem Faible für Blondinen hat auf seine alten Tage die Liebe zum Songwriting wiederentdeckt. Acht Jahre nach dem Erfolg mit «Time» schrieb Stewart (76) für «The Tears Of Hercules», sein 31. Studioalbum, neun der insgesamt zwölf Lieder. Die aktuelle Single «One More Time» wies in eine charmant schunkelnde Celtic-Folk-Richtung. Besonders am Herzen liegt dem «Sailing»-Barden aber wohl der Song «Touchline» – seinem Vater gewidmet, der ihm einst die Liebe zum Fußball beibrachte.
19. November
Sting: Er pfeift auf seine 70 Lebensjahre (die man ihm nicht ansieht) – jedenfalls im optimistischen Album-Vorboten «If It’s Love». Der als Gordon Matthew Thomas Sumner geborene Sänger wurde vor über 40 Jahren mit dem Reggae-Punkpop-Trio The Police berühmt und feierte auch solo seine Triumphe. Das Album «57th & 9th» (2016) war ein solider Erfolg, «My Songs» und «Duets» zeugten zuletzt von einer kreativen Flaute. Nun also «The Bridge» – der Plattentitel soll eine Metapher sein für unsere von Klima-Krise und Corona-Pandemie geprägte schwierige Zeit.
Robert Plant: Der Ex-Frontmann von Led Zeppelin («Stairway To Heaven») baut sein ohnehin schon respektables Alterswerk konsequent aus. Für das neue Album «Raise The Roof» hat sich der Brite (73) erneut mit der Americana-Sängerin Alison Krauss zusammengetan. Keine schlechte Idee nach dem sechsfach Grammy-dekorierten, international erfolgreichen Duo-Debüt «Raising Sand» von 2007. Wieder von Studio-Legende T Bone Burnett produziert, dürfte Plant auch diesmal einen Platz in Jahresbestenlisten vieler Musikkritiker einnehmen.