Ylva Johansson, EU-Kommissarin für Inneres, bei einer Pressekonferenz in Brüssel. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Stephanie Lecocq/Pool EPA/AP/dpa)

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat gelassen auf die Kritik aus der Bundesregierung an ihren Vorschlägen im Kampf gegen Darstellungen von Kindesmissbrauch im Internet reagiert. «Ich bin nicht nervös», sagte die Schwedin der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel.

Sie arbeite insbesondere mit Innenministerin Nancy Faeser (SPD) gut zusammen. Diese fühle sich dem Kampf gegen Missbrauchsdarstellungen ebenfalls sehr verpflichtet. Johansson setzt darauf, dass es noch etwas Zeit braucht, bis jeder und jede ihren Vorschlag im Detail gelesen und verstanden hat. Sie werde den Entwurf Ende der Woche bei einem EU-Ministertreffen vorstellen. Natürlich werde es einige Zeit dauern, bis die Minister den Text durchgegangen seien, denn es sei «ein ziemlich umfangreicher Vorschlag». «Aber ich bin sehr froh über die Unterstützung, die ich aus Deutschland bekommen habe, zum Beispiel von Nancy Faeser.»

Grooming aufspüren

Die EU-Kommission hatte Mitte Mai einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem sie die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet eindämmen will. Bürgerrechtsorganisationen und andere Kritiker nutzen dafür das Schlagwort «Chatkontrolle». Sie sehen darin einen Versuch, die gesamte Kommunikation im Netz inklusive verschlüsselter Nachrichten zu scannen und fürchten Massenüberwachung. Es gebe keine Technologie, die fehlerfrei Missbrauchsdarstellungen sowie Grooming aufspüren könne. Beim Grooming handelt es sich um die Kontaktaufnahme Erwachsener mit Kindern mit Missbrauchsabsicht. Selbst dem Deutschen Kinderschutzbund geht der Entwurf zu weit.

Auch die Bundesminister Marco Buschmann, Volker Wissing (beide FDP) und Faeser äußerten sich zuletzt kritisch. Justizminister Buschmann twitterte, er sei politisch und rechtlich «sehr skeptisch». «Eine generelle flächendeckende Überwachungsmaßnahme privater Korrespondenz gerade auch im digitalen Raum lehnt mein Haus ab.» Im Bundestag sagte er: «Chatkontrollen haben im Rechtsstaat nichts verloren.» Digitalminister Wissing ließ mitteilen, einige der Vorschläge beunruhigten ihn, «weil sie einen Eingriff in den geschützten Raum der Vertraulichkeit der Kommunikation darstellen könnten».

Nachdem sie den Vorschlag zunächst grundsätzlich begrüßt hatte, schwenkte auch Faeser um. Am Freitag sagte sie: «Da geht es um verschlüsselte Kommunikation. Das wäre so, als wenn man in jeden Brief, in jeden Briefkasten gucken möchte. Das möchte niemand.»

Unternehmen in der Pflicht

Johansson verteidigt dagegen den Entwurf und betont, dieser schreibe keinerlei Technologie vor. Vielmehr lege der Text, über den EU-Staaten und Europaparlament nun verhandeln müssen, ein bestimmtes Prozedere fest. Demnach müssen alle Unternehmen zunächst analysieren, wie groß das Risiko ist, dass auf ihren Seiten Kinderpornografie geteilt wird. Gegebenenfalls müssten die Seiten Gegenmaßnahmen treffen. Damit mache man es den Straftätern und Pädophilen schon viel schwerer, sagte Johansson. Falls dies nicht ausreiche, könne von einem Gericht oder einer anderen unabhängigen Behörde eine sogenannte «detection order» zum Scannen der Inhalte angeordnet werden.

Johansson verweist auf weitere Vorkehrungen zum Schutz der Privatsphäre etwa bei der Suche nach Grooming-Fällen. Beim Grooming nehmen Erwachsene mit einer Missbrauchsabsicht Kontakt mit Minderjährigen auf. Da die entsprechende Technologie noch nicht so präzise sei wie die zum Entdecken bereits bekannter Darstellungen, müssten Treffer immer von Menschen überprüft werden, bevor die tatsächlichen Fälle dann an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden, erläuterte Johansson. Dies solle an einer neu zu schaffenden EU-Behörde geschehen.

Technische Details unklar

Welche Software all das leisten soll, lässt sie offen. «Wir wissen nicht, welche Art von Technologie entwickelt werden wird», sagte sie der dpa. Sie werde nicht in die Falle tappen, eine bestimmte Technologie ins Gesetz zu schreiben, die womöglich schon überholt sei, wenn die Regeln in Kraft treten. Die Entscheidung darüber, ob eine bestimmte Technologie im Verhältnis dazu, wie sehr sie in die Privatsphäre der Menschen eingreift, ausreichend effektiv sei, müsse immer die zuständige Behörde treffen. Da sich die Technologie schnell entwickle, könne sich diese Abwägung im Laufe der Zeit ändern.

Als nächstes verhandeln nun die EU-Staaten und das Europaparlament über den Vorschlag, ehe sie sich auf eine gemeinsame Linie einigen müssen. Die Position des Ministerrats muss jedoch nicht einstimmig getroffen werden. Die Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag ein «Recht auf Verschlüsselung» verspricht, könnte womöglich also von den anderen Ländern überstimmt werden.

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