Während einer Pressekonferenz ist Greta Thunberg, Klimaaktivistin aus Schweden, auf dem Display eines Mobiltelefons zu sehen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Markus Schreiber/AP/dpa)

Vor drei Jahren lieferte sich Greta Thunberg auf dem Weltwirtschaftsgipfel ein Rededuell mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump. Jetzt kann die schwedische Klimaaktivistin nur mit dem Kopf schütteln: Es sei doch «absurd», dass man hier noch immer genau auf die Menschen höre, die die Klimakrise wesentlich vorantrieben und in fossile Brennstoffe investierten, sagte sie am Donnerstag in Davos. Echte Veränderung, die erreiche man wohl eher «von unten» als auf der Bühne des WEF.

Thunberg, Luisa Neubauer und weiteren Aktivistinnen forderten in Davos trotzdem mit einer Petition das Aus für neue fossile Projekte und Investitionen. Die Befürchtung: Angesichts der Energiekrise gerate der Klimaschutz ins Hintertreffen. Eine Studie zeigt, dass diese Angst nicht unbegründet ist.

Russlands Angriff auf die Ukraine im vergangenen Jahr hat die Koordinaten verschoben. Auf der einen Seite trieb Deutschland den Bau von Windrädern und Solarpanelen voran, um möglichst schnell von russischem Gas loszukommen. «Unsere Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft – die grundlegende Aufgabe unseres Jahrhunderts – bekommt derzeit eine ganz neue Dynamik. Nicht trotz, sondern wegen des russischen Kriegs und des daraus resultierenden Veränderungsdruck auf uns Europäer», sagte Kanzler Olaf Scholz am Mittwoch auf dem Weltwirtschaftsforum.

Neubauer: «Schmutzige Geschäfte»

Doch es wird – und das kritisieren die Klimaaktivisten scharf – auch mehr klimaschädliche Kohle verbrannt. «Es kann keine neuen fossilen Projekte geben und keine fossilen Expansionen, übrigens auch nicht von Kohleminen», betonte Neubauer in Davos. Vor wenigen Tagen noch demonstrierten sie, Thunberg und zahlreiche andere gegen den Abriss des Dorfes Lützerath für den Braunkohletagebau. «Nachdem wir in Lützerath durch schmutzigen Matsch gelaufen sind, schauen wir jetzt in Davos zu, wie schmutzige Geschäfte gemacht werden», sagte Neubauer.

Für sie ist klar: Die Industrie werde den Weg zu mehr Klimaschutz nicht aus eigenem Antrieb einschlagen. 96 Prozent der Öl- und Gasindustrie wollten expandieren. «Jemand anderes muss sagen: Genug ist genug», forderte die Klimaaktivistin von Fridays for Future. Doch Politiker wie Scholz lieferten nicht. «Wir sehen eine große Tendenz – die sich öffentlich bei Olaf Scholz abzeichnet, aber eben auch bei anderen – Klimaschutz vor allem als ein rhetorisches Marketingprojekt zu verstehen und nicht etwas, wo es auf harte Budgets ankommt», sagte Neubauer. So sei es auch zu verstehen, dass Scholz in Davos mit dem Klimaschutz als Standortfaktor für Investitionen in Deutschland warb.

Statt Deutschland raus aus dem fossilen Zeitalter zu führen, steuere der Kanzler das Land tatsächlich «tendenziell eher rein». «Er spricht davon, dass keine neue, erkennbar fossile Renaissance stattfinden darf, während er dabei ist und auch zuguckt, wie er und seine Regierung neue Gasprojekte verabschieden, Überkapazitäten in Sachen LNG schaffen, Kohledeals vereinbaren, die nicht vereinbar sind mit dem Pariser Abkommen», kritisierte Neubauer.

Studie zeigt den Stellenwert von Klimaschutz in Unternehmen

Auch in vielen Unternehmen, das zeigt eine Studie der Unternehmensberatung Accenture, drohen die aktuellen Krisen den Klimaschutz von der Spitze der Agenda zu verdrängen. Mehr als 80 Prozent der 2600 befragten Unternehmenschefs sind demnach der Meinung, dass die geopolitische Instabilität das Erreichen der Klimaziele erschwert. Das sehe man vor allem in Asien und den Entwicklungsländern, aber auch in Europa, sagte Christina Raab, Accenture-Chefin für Deutschland, Österreich und die Schweiz, der Deutschen Presse-Agentur.

Dabei seien Inflations- und Energiethemen eng mit dem CO2-Abdruck verknüpft: «Die Reduktion unseres Energiekonsums hat einen positiven Effekt auf die Nachhaltigkeit.» Es sei wichtig, dass Unternehmen Klimaschutz nicht länger nur als Investition in die Zukunft verständen, sondern ihren kurzfristigen Nutzen sähen. «Das ist der Einstellungswandel, den wir beim Thema Nachhaltigkeit brauchen», forderte sie.

Von Theresa Münch, dpa

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