Der Kulturwissenschaftler Jan Assmann ist tot. Er starb in der Nacht von Sonntag auf Montag, wie eine Sprecherin der Universität Heidelberg auf Anfrage bestätigte. Die Universität stehe in Kontakt mit der Familie und habe die Nachricht von Assmanns Familie erhalten, sagte die Sprecherin. Laut dem «Südkurier» starb Assmann im Alter von 85 Jahren in Konstanz.
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
Assmann, Jahrgang 1938, war Ägyptologe, Kultur- und Religionswissenschaftler, ein Universalgelehrter der alten Schule. Von 1976 bis 2003, als er emeritiert wurde, war er Professor für Ägyptologie in Heidelberg. Danach war er Honorarprofessor an der Universität Konstanz, wo seine Frau Aleida Assmann bis 2014 lehrte. Die beiden erhielten 2018 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
«Mit Jan Assmann ist nicht nur ein renommierter Ägyptologe und Geisteswissenschaftler verstorben, sondern auch ein Freund, den wir gemeinsam mit seiner Frau Aleida Assmann mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet haben», teilte Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels mit. Durch sein Werk habe Assmann einen unverzichtbaren Beitrag zum Verständnis der Friedensbereitschaft und Friedensfähigkeit der Religionen in der Weltgesellschaft geleistet.
Zwischen Ägyptologie und klassischer Musik spannt sich ein Horizont von Themen, die Assmann wissenschaftlich durchleuchtet hat. Das ließ sich schon an den Buchstaben der Kennzeichen der beiden Familienautos ablesen: TT für Theben Tombs (Gräber von Theben) und KV für das Köchelverzeichnis der Werke Mozarts.
Die Liste seiner Veröffentlichungen reicht von «Die Zauberflöte. Eine Oper mit zwei Gesichtern» über «Tod und Jenseits im alten Ägypten» bis hin zu «Religion und kulturelles Gedächtnis».
Die Liebe zur Musik prägte die jungen Jahre des im niedersächsischen Langelsheim geborenen Assmann. Als Schüler komponierte er eigene Stücke. Eine Musikerkarriere wurde aber durch die von ihm teils traumatisch erlebten Umstände im Krieg und danach ausgebremst.
Keilschrift und Hieroglyphen
Aber auch die alten Sprachen, insbesondere die Keilschrift und die Hieroglyphen, besaßen für den «altklugen jungen Mann» – so sah Assmann sich selbst – eine magische Anziehungskraft. Gegen den Wunsch der Eltern, er solle die klassische Archäologie der «brotlosen Kunst» der Ägyptologie vorziehen, entschied der Architektensohn sich für das Studium des «Orchideenfachs» in Heidelberg. Mit großem Erfolg: Zu den Höhepunkten seiner ägyptologischen Karriere gehört die Entdeckung einer Grabstätte im Tal der Könige.
Einst hatte die Liebe zum Zeichnen Assmann und seine Frau zusammengebracht: Auf dem Hochzeitsfest von Jan Assmanns Mentor kamen sie ins Gespräch. Er bewunderte ihre Bilder für die Feier und punktete bei ihr mit einer Ballade samt Bildern. Mit 21 Jahren gab Aleida dem neun Jahre älteren Jan das Jawort – 1968 – auf dem Zenit der Studentenbewegung – ein in Intellektuellenkreisen unüblicher bürgerlicher Akt. Das Paar hat fünf Kinder.
Die Assmanns analysierten, erst 40 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg habe in Deutschland die Erinnerung an den verdrängten Holocaust eingesetzt. Ausgelöst worden sei die Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte durch die Rede von Richard von Weizsäcker vom 8. Mai 1985.
Von Weizsäcker bezeichnete als erster deutscher Bundespräsident den Tag der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht als Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der Nazi-Gewaltherrschaft – nicht als Tag der Niederlage. Das war das Startsignal für Denkmäler und Gedenktage – die Vernichtung der Juden durch die Nazis wurde prägender Teil des kollektiven Gedächtnisses der Deutschen.