Nach der Eröffnung der Berlinale hat am Freitag der richtige Festivalbetrieb begonnen.
Die ersten drei Wettbewerbsfilme waren im Programm: «Die Linie» von Ursula Meier über eine Mutter-Tochter-Beziehung, «Robe of Gems» über den mexikanischen Drogenkrieg und «Rimini» von Ulrich Seidl über einen Schlagersänger.
Meier konzentriert sich in ihrem neuen Film auf die Darstellung weiblicher Gewalt. Im Kino gehe die Gewalt in der Regel von Männern aus, sagte sie am Freitag in Berlin. Sie und die Co-Drehbuchautorin und Schauspielerin Stéphanie Blanchoud hätten sich die Frage gestellt: «Warum sollten wir nicht eigentlich eine weibliche Persönlichkeit haben, die auch gewalttätig ist?»
Der Film erzählt die Geschichte einer Mutter und ihren Töchtern. Als eine der Töchter ihre Mutter im Streit verletzt, wird sie mit einem Kontaktverbot belegt. Es eskalieren die familiären Konflikte.
«Die Linie» ist einer von 18 Titeln, die im Wettbewerb um den Goldenen Bären konkurrieren. Am Freitag werden in dieser Rubrik außerdem «Robe of Gems» und «Rimini» gezeigt werden.
«Spirituelle Wunde»
Das Drama «Robe of Gems» erzählt von drei Frauen, die mit dem Drogenhandel in Konflikt geraten. Die Idee für den Film hatte die Regisseurin Natalia López Gallardo, nachdem sie Interviews mit Müttern geführt habe, deren Kinder in Mexiko verschwunden seien, sagte sie in Berlin.
Sie habe kein gesellschaftspolitisches Statement formulieren wollen, so Gallardo. «Ich wollte auf irgendeine Art und Weise Nähe herstellen zu dieser spirituellen Wunde, die ich gefühlt habe, und ich denke, die alle Mexikaner in sich tragen.»
Nur mit Maske ins Kino
Am Vorabend war die 72. Berlinale mit einer Gala eröffnet worden. Angesichts der Corona-Infektionszahlen gelten diesmal besondere Auflagen. Im Kino muss man beispielsweise Maske tragen, am Potsdamer Platz stehen Busse für Corona-Tests. Es ist deutlich weniger Auftrieb als in normalen Jahren. Es herrscht nicht das Gedränge, das die Berlinale sonst prägt. Große Partys soll es nicht geben, in den Kinos bleiben viele Plätze zur Sicherheit frei.
Die Berlinale ist neben Cannes und Venedig eines der großen Filmfestivals der Welt. Zur Eröffnung kamen Hunderte Gäste, um den Film «Peter von Kant» des französischen Regisseurs François Ozon zu sehen.
«Es war kurz, schön und mehr», schrieb Moderatorin Dunja Hayali nach der Eröffnung bei Facebook. «Denn auch bei allen zu Recht strengen Corona-Auflagen endlich mal wieder … Abdriften. Eintauchen. Wegträumen.» Dazu postete sie Bilder von sich auf dem roten Teppich, im schwarzen Anzug mit tiefem Ausschnitt.
European Film Market als Teil des Festivals
Bei der Berlinale geht es auch um internationale Filmgeschäfte: Die weltweiten Rechte am Remake des schwedischen Erfolgsfilms «Ein Mann namens Ove» mit Tom Hanks (65) sicherte sich Sony Pictures, wie die Branchenblätter «Deadline», «The Hollywood Reporter» und «Variety» berichteten. Regie führt Marc Forster («Ein Quantum Trost»). Hanks («Philadelphia», «Forrest Gump») spielt in dem Hollywood-Remake die Hauptrolle. Die Messe European Film Market ist Teil der Berlinale. Sie findet wegen der Corona-Pandemie im Internet statt.
Die Initiative Pro Quote Film prangerte zur Berlinale die Missstände bei der Gleichstellung von Frauen in der Branche an. «Die Präsenz von Frauen in den kreativen Schlüsselpositionen der Film- und Fernsehbranche muss zunehmen», forderte die Regisseurin Esther Gronenborn. Das gilt demnach «insbesondere dort, wo öffentliche Gelder eingesetzt werden».
Pro Quote Film überbrachte dazu vorab Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) symbolisch ihre Forderungen, wie in einem Videoclip zu sehen ist. «Bei mir rennen Sie viele, viele Türen ein», betonte Roth. Es sei allerhöchste Zeit, nicht nur für eine feministische Außen- oder eine feministische Entwicklungspolitik, sondern auch für eine feministische Filmpolitik.