Europas Währungshüter könnten angesichts der hartnäckig hohen Inflation das Tempo bei der Normalisierung ihrer Geldpolitik in den nächsten Monaten erhöhen.
«Wenn sich die Inflationsaussichten nicht verbessern, werden wir über ausreichende Informationen verfügen, um schneller zu handeln», sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, am Dienstag bei einer Konferenz der Notenbank im portugiesischen Sintra, die auch im Internet übertragen wurde. «Angesichts der allgemeinen Aussichten wird der Prozess der Normalisierung unserer Geldpolitik entschlossen und nachhaltig fortgesetzt werden.»
Der EZB-Rat hatte bei seiner jüngsten regulären Sitzung am 9. Juni angesichts der rekordhohen Teuerung nach langem Zögern den Ausstieg aus der seit Jahren ultralockeren Geldpolitik beschlossen: Die milliardenschweren Anleihenzukäufe werden zum 1. Juli beendet. Bei der nächsten regulären Sitzung des EZB-Rates am 21. Juli will die Notenbank die Leitzinsen erstmals seit elf Jahren wieder erhöhen, zunächst um jeweils 0,25 Prozentpunkte. Für die September-Sitzung hat die Notenbank einen weiteren – dann womöglich größeren – Zinsschritt in Aussicht gestellt.
Einheitliche Geldpolitik für 19 Staaten
Die Anhebung der Zinsen könnte vor allem für hochverschuldete Staaten in Südeuropa zur Belastung werden. Die EZB hat daher bereits angekündigt, sie arbeite an einem neuen Anti-Kriseninstrument. «Das neue Instrument muss wirksam sein, gleichzeitig aber auch verhältnismäßig und mit ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen versehen, damit die Mitgliedstaaten weiterhin eine solide Finanzpolitik verfolgen können», sagte Lagarde.
Die EZB-Präsidentin betonte, die Notenbank werde «eine ungerechtfertigte Fragmentierung» im Euroraum nicht hinnehmen. Die Normalisierung der Geldpolitik werde natürlich zu einem Anstieg der Renditen von Staatsanleihen führen, erklärte Lagarde. «Um die ordnungsgemäße Übertragung unseres geldpolitischen Kurses im gesamten Euroraum zu gewährleisten, müssen wir jedoch sicherstellen, dass diese Preisanpassung nicht durch eine destabilisierende Marktdynamik verschärft und verzerrt wird.» Wichtig sei, eine einheitliche Geldpolitik für den Währungsraum der 19 Staaten sicherzustellen, dann sei es möglich, «die Zinssätze so weit wie nötig anzuheben».