Mal eben ein neues Fahrrad kaufen? Verbraucher in Deutschland müssen sich angesichts globaler Lieferprobleme noch lange auf Verzögerungen im Handel einstellen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Andreas Arnold/dpa)

Verbraucher in Deutschland müssen sich angesichts globaler Lieferprobleme noch lange auf Verzögerungen im Handel einstellen.

Ob Fahrräder, Spielekonsolen, Autos, Heimwerkerbedarf oder Möbel: Die Nachschubprobleme machen sich in vielen Branchen bemerkbar und dürften so schnell nicht verschwinden. Das hat Folgen: Wartezeiten sind lang oder manche Produkte nicht verfügbar. Und im Weihnachtsgeschäft dürften die Preise steigen.

Wie weit die Probleme reichen, zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage des Münchner Ifo-Instituts unter rund 1000 Einzelhändlern. Demnach erwarten sie Lieferprobleme bis weit in den Sommer 2022 hinein. Im Schnitt rechnet die Branche noch für zehn Monate mit Engpässen. «Die Produktauswahl wird zu Weihnachten und lange danach eingeschränkt sein», sagte Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen.

Am pessimistischsten sind laut Ifo Fahrradhändler, die über 18 Monate – also bis ins übernächste Jahr – mit Nachschubproblemen rechnen. Möbelhändler erwarten noch gut ein Jahr Lieferschwierigkeiten, Spielzeughändler gehen von rund elf und Baumärkte von mehr als zehn Monaten aus. Wegen der Lieferschwierigkeiten hat ein Großteil der Unternehmen Preiserhöhungen angekündigt. Der Anteil der Firmen, die Preise anheben, ist laut Ifo so hoch wie noch nie. Das wiederum dürfte die ohnehin gestiegene Inflation in Deutschland anheizen.

In der Fahrradbranche, die in der Corona-Pandemie einen Boom erlebte, sind weiterhin Teile knapp, erläutert David Eisenberger, Leiter Kommunikation des Zweirad-Industrieverbands (ZIV), in Bad Soden. «Es geht quer durch die Bank von Schaltungen, Lenkern, Laufrädern bis zu elektronische Komponenten bei E-Bikes.» Die Branche habe das Problem 2021 erlebt und werde es auch im kommenden Jahr noch haben, sagt er. «So schnell beruhigt sich die Weltwirtschaft nicht.»

Lieferketten seien gestört, Rohstoffe wie Aluminium gefragt und Teile aus Asien kämen verzögert an. Die hohe Nachfrage verteuere auch die Logistik. Daher stiegen die Preise für Räder, so Eisenberger. Die Lage sei aber unterschiedlich. Hersteller, die auf Asien fokussiert seien, litten stärker unter Lieferproblemen, als jene, die Teile aus Europa bezögen. Und: «Fahrräder kommen an, wenn auch oft später.»

Gründe für die Turbulenzen im Welthandel gibt es viele. So ist nach dem Corona-Krisenjahr 2020 mit der Konjunkturerholung die Nachfrage hoch geschnellt, nachdem viele Firmen zuvor die Produktion gedrosselt hatten. Zugleich wurden Containerkapazitäten knapp. Auch rächt sich, dass viele Unternehmen aus Kostengründen nur kleine Lager haben, auf passgenaue Just-in-Time-Konzepte setzen und Lieferketten rund um den Globus reichen. Hakt es etwa in Asien bei Vorprodukten, kommt schnell die Produktion aus dem Gleichgewicht. «Viele Unternehmen werden nun ihre Lagerhaltung überdenken», glaubt Wohlrabe.

Einen Lichtblick gibt es aber laut Ifo: Insgesamt ist die Zahl der Firmen mit Nachschubproblemen etwas zurückgegangen – von 74 Prozent im September auf 60 Prozent im Oktober. Bei Fahrradhändlern sank der Anteil von 100 auf 89,6 Prozent, bei Baumärkten von 98,9 auf gut 83 Prozent. «Das sind aber immer noch enorm hohe Zahlen», meint Experte Wohlrabe. «Viele Lieferungen kommen mit deutlichen Verspätungen in Deutschland an.» Angesichts erwarteter Preissteigerungen rät er Verbrauchern, Weihnachtsgeschenke schon jetzt zu kaufen.

Auch der Handelsverband Spielwaren empfiehlt, Käufe von Geschenken vorzuziehen. «Bei überdurchschnittlich beliebten Produkten kann es schnell zu einem Engpass kommen», sagt Geschäftsführer Steffen Kahnt. «Aber: Kein Kind wird deshalb an Weihnachten leer ausgehen.» Der Spielwarenbranche machen die Störungen der Lieferketten zu schaffen. Weil die Fracht teurer geworden ist, haben Hersteller schon «Preisanpassungen vorgenommen», wie es Kahnt formuliert. Und: «Nicht selten verschiebt sich der Liefertermin von Produkten.» In diesem Jahr rechne man mit keiner Entspannung.

In der Möbelindustrie sind unterdessen besonders Holzwerkstoffe wie Spanplatten knapp. Auch bei Metallkomponenten, Polsterschäumen, Bezugsstoffen und Verpackungsmaterialien gibt es Engpässe, berichtet der Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM). In einer Umfrage aus dem September berichteten über die Hälfte der befragten Möbelhersteller von Einschränkungen und Verzögerungen in der Produktion wegen Materialengpässen.

VDM-Geschäftsführer Jan Kurth betont, dass die deutsche Möbelindustrie trotz allem lieferfähig sei. Jedoch komme es in einigen Bereichen zu Verzögerungen bei den Lieferzeiten. Auf eine Entspannung bei der Beschaffung hoffe man ab dem zweiten Quartal 2022. «Wir sind optimistisch, dass sich die Lieferketten dann zu normalisieren beginnen und sich die Lage wieder einschwingt.»

Von Alexander Sturm und Wolf von Dewitz, dpa

Von