Rund 150 Siemens-Beschäftigte protestieren vor einer lebensgroßen Plastik des Vorstandsvorsitzenden Roland Busch gegen die Abspaltung des Bereichs "Elektrische Großantriebe". (Urheber/Quelle/Verbreiter: Joerg Carstensen/dpa)

Im Spannungsfeld zwischen einem «beispiellosen Boom beim Auftragseingang», Aktionärslob und Protesten gegen «Ausgliederitis» hat Siemens-Chef Roland Busch seine erste Hauptversammlung an der Konzernspitze erlebt.

Der Manager konnte am Donnerstag mit kräftigem Rückenwind von den neuesten Zahlen in das virtuelle Aktionärstreffen gehen. Doch an mehreren Standorten protestierten Beschäftigte gegen die Abspaltung des Geschäfts mit großen Antrieben.

Am Morgen vor der Hauptversammlung hatte Siemens für das erste Quartal seines Geschäftsjahres einen kräftigen Gewinnanstieg um 20 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro gemeldet. Der Umsatz kletterte auf vergleichbarer Basis um 9 Prozent auf 16,5 Milliarden Euro. Der Auftragseingang wuchs – ebenfalls auf vergleichbarer Basis – um außergewöhnliche 42 Prozent auf 24,2 Milliarden Euro.

Für 2021 gab es Lob der Aktionäre

Siemens begründet den Auftragsboom einerseits mit vorgezogenen Beschaffungsmaßnahmen bei Kunden, andererseits mit Großaufträgen für die Sparte Mobility. Sorgen, dass ein größerer Teil der vorgezogenen Aufträge wieder storniert werden könnte, macht man sich im Konzern nicht. Bei vielen gebe es Anzahlungen, die Auftragseingänge hätten den «gleichen Härtegrad» wie sonst auch, sagte Finanzchef Ralf P. Thomas.

Anlass für eine Erhöhung der Prognose – vergangenes Jahr war sie mehrfach nach oben geschraubt worden – sah man bei Siemens diesmal nicht. Allerdings sagte Thomas, er sehe Potenzial, das obere Ende des Zielkorridors beim Ergebnis pro Aktie zu erreichen oder gar zu überschreiten. Und in drei Monaten, bei der Vorlage der Zahlen für das zweite Quartal, soll der Ausblick aktualisiert werden.

Für das abgeschlossene Jahr gab es Lob der Aktionäre. Es sei «großartig gelaufen», sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Vera Diehl vom Fondsanbieter Union Investment sprach von «hervorragenden Zahlen».

Der Mitarbeiter-Aktionärsverein «Wir für Siemens» forderte dagegen angesichts der Abspaltung des Geschäfts mit großen Elektromotoren (LDA). «Schluss mit der Ausgliederitis». Er forderte, die Zukunftschancen des Bereichs zu nutzen. Und auch auf der Straße gab es Protest dagegen: In Berlin und Nürnberg kamen mehrere hundert Mitarbeiter zusammen um gegen den Umbau zu protestieren. LDA soll bis Oktober ausgegliedert werden. Der Bereich hat weltweit rund 7000 Mitarbeiter, 2200 davon in Deutschland.

Siemens verkaufte sein Paket- und Postgeschäft

Bei Siemens hält man dagegen daran fest, das Portfolio zu «schärfen» und kommt damit gut voran: Bereits am späten Mittwochabend war bekannt geworden, dass der Konzern sein Paket- und Postgeschäft verkauft und sich vom Anteil an der Elektroauto-Gemeinschaftsfirma mit Valeo trennt. Das Paket- und Postgeschäft geht für 1,15 Milliarden Euro an den Technologiekonzern Körber. Bei dem Gemeinschaftsunternehmen übernimmt Valeo den Anteil des Partners. Siemens erwartet daraus einen positiven Ergebniseffekt von 300 Millionen Euro im laufenden zweiten Geschäftsquartal.

Siemens ist seit Jahren in einem Umbauprozess. Auf großer Ebene soll dieser mit der Abspaltung von Siemens Energy 2020 eigentlich abgeschlossen sein, doch es gibt noch einige kleinere Bereiche, von denen sich Siemens trennen will.

Konzern war stärkster Gewinner im Dax

Noch ist Siemens mit rund 35 Prozent an Siemens Energy beteiligt. Freude macht das dem Konzern im Moment allerdings nicht: Schon im abgelaufenen Quartal drückte die Beteiligung leicht aufs Ergebnis und die jüngsten Probleme mit der Windkraft und der darauf folgende weitere Absturz der Aktie könnten nun den geplanten weiteren Abbau des Anteils verzögern.

An der Börse kamen die Nachrichten von Siemens insgesamt aber sehr gut an: Der Kurs der Aktie legte am Morgen um zeitweise mehr als 7 Prozent zu und war damit stärkster Gewinner im Dax. Bis zum Nachmittag schmolzen die Gewinne ein Stück weit ab.

Von Christof Rührmair und Jann Philip Gronenberg, dpa

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