Die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen sind in Deutschland regional extrem unterschiedlich verteilt. Das geht aus einer Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Für Dienstag (7. März) wurde der sogenannte Equal Pay Day in Deutschland errechnet – der Tag des Jahres, bis zu dem Frauen rechnerisch im Durchschnitt ohne Bezahlung arbeiten mussten, wenn sie fortan bis zum Jahresende gleich verdienen würden. Im Jahr 2009 hatte der Equal Pay Day noch am 20. März gelegen.
Der IAB-Studie zufolge hinken die Frauen beim Verdienst den Männern im baden-württembergischen Bodenseekreis um 39,9 Prozent hinterher. In der kreisfreien Stadt Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt verdienen Frauen sogar etwas mehr (1,8 Prozent) als Männer. Auch in Frankfurt/Oder und Cottbus in Brandenburg sowie im Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalt liegen vollzeitbeschäftigte Frauen beim Gehalt im Schnitt vor den Männern.
Insgesamt war der sogenannte Gender-Pay-Gap, also die geschlechterspezifische Lücke bei der Bezahlung, 2021 in Westdeutschland mit 20,6 Prozent mehr als dreimal so groß wie in Ostdeutschland mit 6,3 Prozent. Im bundesweiten Durchschnitt erhielten 2021 vollzeitbeschäftigte Männer 18,9 Prozent mehr Lohn oder Gehalt. Über die Zeit schließt sich die Lücke allerdings allmählich. Vor fünf Jahren war die Lücke noch um 2,5 Prozentpunkte größer.
Ferda Ataman für Gesetzesverschärfung
Dennoch forderte die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, eine Reform des Entgelttransparenzgesetzes, das ein Auskunftsrecht auch in kleineren Betrieben vorsehen solle. «Das Auskunftsrecht im Entgelttransparenzgesetz gilt nur in größeren Unternehmen ab 200 Beschäftigten – und es hat zu viele Schlupflöcher», sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es leuchte nicht ein, warum Frauen in einem kleinen Betrieb kein Recht darauf hätten, Auskunft über eventuelle Lohnungleichheiten zu bekommen, in größeren aber schon.
Überfällig sei auch das im Koalitionsvertrag genannte Klagerecht für Verbände. «Ich verstehe die Widerstände gegen ein solches Klagerecht nicht», sagte Ataman. «Ein Verbandsklagerecht wäre auch bei anderen Fällen von Diskriminierung sinnvoll und gehört ins Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.» Mehr Klagemöglichkeiten könnten mehr Rechtssicherheit für Betroffene schaffen – und Arbeitgeber sanktionieren, die sich nicht an die Gesetze hielten.
Rolle der Berufswahl
Die größte Rolle bei den Verdienstunterschieden spielt den IAB-Forschern zufolge allerdings die Berufswahl. Frauen arbeiten laut Statistik häufiger in Dienstleistungs-, Gesundheits- und Sozialberufen. «Tätigkeiten in diesen Bereichen sind meistens mit einem geringeren Verdienst verbunden als in von Männern häufig ausgeübten Tätigkeiten», sagte Anja Rossen vom Regionalen Forschungsnetz des IAB. Außerdem sind Frauen häufiger in kleinen Betrieben tätig. «Damit profitieren sie nicht im gleichen Ausmaß wie Männer von den im Durchschnitt höheren Löhnen in Großbetrieben», betonte ihre Kollegin Antje Weyh.
So seien etwa im Bodenseekreis viele Männer vor allem in größeren Industriebetrieben tätig. In Dessau-Roßlau arbeiten Männer dagegen überdurchschnittlich häufig in Berufen der Lagerwirtschaft, Post und Zustellung – Berufen, in denen eher weniger verdient wird. Frauen dagegen seien häufiger in Verwaltungs- und Büroberufen anzutreffen, mit mittlerem Verdienstniveau.