Wegen des Pilotenstreiks der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit sind zahlreiche Flüge der Lufthansa gestrichen worden. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Boris Roessler/dpa)

Gestrandete Passagiere, verzweifelte Studenten und juristische Scharmützel: Der ganztägige Streik der Piloten hat am Freitag nahezu den gesamten Flugbetrieb der Lufthansa lahmgelegt.

Mehr als 800 Flüge mit 130 000 betroffenen Passagieren hatte die Gesellschaft bereits am Vortag vorsorglich abgesagt und auch nicht versucht, ein Rumpfprogramm in die Luft zu bekommen. Mit dieser Strategie sollte zum Neustart am Samstag ein normaler und stabiler Flugplan erreicht werden, wie ein Sprecher der Airline in Frankfurt sagte.

Die meisten hatten von den Flugabsagen gewusst

Unter LH-Flugnummern fanden am Freitag lediglich Flüge der nicht bestreikten Lufthansa Cityline sowie aus dem Ausland gestartete Langstreckenflüge nach Deutschland statt. In den Terminals am Frankfurter Drehkreuz war es am Freitag vergleichsweise ruhig, wie der Betreiber Fraport berichtete. Die meisten Passagiere hatten die Flugabsagen rechtzeitig mitbekommen. An den Service-Schaltern der Lufthansa bildeten sich dennoch lange Schlangen mit Langstrecken-Passagieren, die auf einen Weitertransport hofften.

«Wir werden uns wohl ein Hotel nehmen müssen», sagte beispielsweise Christopher Kingsbury, der mit seiner Ehefrau und zwei befreundeten Paaren auf dem Weg in den Urlaub nach Budapest war. Etwa drei Stunden zuvor war ihr Flug aus Atlanta gelandet. «Wir machen jetzt das beste daraus, immerhin haben wir einen Nachmittag in Frankfurt gewonnen.»

Die globalen Auswirkungen des Streiks zeigten sich auch in Indien, wo hunderte Studenten vergeblich auf ihren Abflug mit Lufthansa zu ihren Studienorten in Kanada oder USA warteten. Es kam zu Protesten auch der Angehörigen an den Flughäfen. Man versuche, die Passagiere auf Verbindungen auch anderer Gesellschaften umzubuchen, teilte die Lufthansa dazu mit.

Die Tochtergesellschaften waren vom Streik ausgenommen

Den Passagieren in Europa stehen bei Ausfällen oder schwerwiegenden Verspätungen ab drei Stunden Erstattungen und möglicherweise auch Ausgleichszahlungen bis zu 600 Euro zu. Es handele sich bei dem Streik nicht um einen außergewöhnlichen Umstand außerhalb des Einflussbereichs der Lufthansa, erklärte der Leiter der Rechtsabteilung des Portals «Flightright», Oskar de Felice. In solchen Fällen müsse die Gesellschaft haften, habe der Europäische Gerichtshof im vergangenen Jahr unmissverständlich entschieden.

Bestreikt wurden laut Vereinigung Cockpit bis Mitternacht ausschließlich die Abflüge der Lufthansa-Kerngesellschaft sowie der Lufthansa Cargo von deutschen Flughäfen. Die Tochtergesellschaften Eurowings, Lufthansa Cityline und Eurowings Discover waren von dem Aufruf nicht betroffen. Gleiches galt für ausländische Lufthansa-Töchter wie Swiss, Austrian oder Brussels.

Die Gewerkschaft hatte den auf 24 Stunden begrenzten Streik ausgerufen, nachdem Tarifverhandlungen mit der Lufthansa gescheitert waren. Die Lufthansa hat den Streikaufruf kritisiert und die VC aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Laut Lufthansa würden die Forderungen der VC die Personalkosten im Cockpit um 40 Prozent erhöhen. Dies sei selbst ohne Rücksicht auf die finanziellen Folgen der Corona-Krise außerhalb des Vertretbaren.

Die VC hatte neben 5,5 Prozent mehr Geld in diesem Jahr einen automatisierten Ausgleich oberhalb der Inflation ab 2023 verlangt. Dazu kämen eine neue Gehaltstabelle sowie mehr Geld für Krankheitstage, Urlaub und Training. Auf eine Laufzeit von zwei Jahren würde das eine Mehrbelastung von 900 Millionen Euro bedeuten, hieß es bei der Lufthansa.

Der automatisierte Inflationsausgleich bot der Lufthansa einen juristischen Angriffspunkt. Sie scheiterte zwar vor dem Arbeitsgericht München mit dem Antrag auf eine Einstweilige Verfügung gegen den Streik. Die Vereinigung Cockpit nahm aber die auch vom Gericht als «rechtlich nicht unbedenklich» eingeschätzte Forderung nach einem automatisierten Ausgleich zurück und prüfte andere Formulierungen.

Erst im Juli hatte die Gewerkschaft Verdi mit einem Warnstreik des Bodenpersonals den Flugbetrieb der größten deutschen Airline für einen ganzen Tag nahezu lahmgelegt. Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo will im Herbst für ihre Mitglieder verhandeln. Sie erklärte sich «ausdrücklich und uneingeschränkt solidarisch» mit dem Streik der Piloten.

Die VC verzichtete auf Kundgebungen oder Streikversammlungen wohl auch aus Sorge vor negativen Reaktionen. In zahlreichen Internet-Foren äußerten Nutzer Kritik an den ihrer Meinung nach bereits sehr gut bezahlten Piloten. Beim vorangegangenen Streik des Lufthansa-Bodenpersonals im Juli war es laut Verdi zu massiven Anfeindungen gekommen. Es habe sogar Morddrohungen gegeben, sagte Verdi-Chef Frank Werneke der «Augsburger Allgemeinen». «Ich empfand es als sehr bedrückend, dass Menschen, die auf unserer Seite in dem Lufthansa-Streik Verantwortung übernommen haben, bedroht wurden», sagte Werneke.

Von Christian Ebner und Lea Marie Kläsener, dpa

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