Mai Thi Nguyen-Kim wurde als Journalistin des Jahres ausgezeichnet. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Paul Zinken/dpa)

Hat Mai Thi Nguyen-Kim, die erfolgreiche Wissenschaftserklärerin, auch eine irrationale Seite? Angst vor schwarzen Katzen? Freitag dem 13.? Sie muss lachen. «Da müsst ich jetzt überlegen», sagt sie. «Ich bin überhaupt nicht abergläubisch. Ich bin auch nicht religiös. Ich spiel‘ noch nicht mal Lotto, das find ich auch schon albern.» Ihr Fazit: «Ich bin schon ein sehr rationaler Mensch. Aber ich würde zum Beispiel nie sagen, dass Glaube Quatsch ist. Da lass ich mich gern auf philosophische Diskussionen ein. Oder ich denke nicht, dass wir jemals so etwas wie Liebe vollständig verstehen werden. Und das ist auch okay so.»

Im persönlichen Gespräch kommt Mai Thi Nguyen-Kim anders rüber als in ihren Videos auf maiLab. Auf Youtube ist sie sehr straight, sehr fokussiert. Sie muss in kurzer Zeit ziemlich viel rüberbringen. Wenn man sich aber mit ihr unterhält, gibt es Pausen des Nachdenkens, sie verzieht auch schon mal das Gesicht. Vor allem aber bricht sie immer wieder in ein ansteckendes Lachen aus. Zum Beispiel, wenn sie sagt, dass sie den Mund-Nasen-Schutz eigentlich nie so schlimm fand: «Muss man sich wenigstens nicht schminken.»

Bundesverdienstkreuz, Journalistin des Jahres, erfolgreichstes Youtube-Video des Jahres 2020, Grimme-Preis: Es läuft derzeit rund für Mai Thi Nguyen-Kim. Und jetzt bekommt die 34 Jahre alte Wissenschaftsjournalistin auch noch zwei neue Formate im ZDF und in ZDFneo.

Die erste Sendung beginnt am Sonntag (10. Oktober) im Zweiten: ein Terra X-Dreiteiler mit dem Titel «Wunderwelt Chemie». Für die promovierte Chemikerin ist es ein Traum, ihr Lieblingsthema sonntags um 19.30 Uhr in dem bekannten Format präsentieren zu können. «Für mich ist Chemie wunderschön», schwärmt sie. «Viele kennen den Satz „Wir bestehen alle aus Sternenstaub“. Der ist ja Fakt. Jedes chemische Element, das es im Universum gibt und aus dem wir zusammengesetzt sind, ist irgendwann in einem Stern entstanden. Und bei der Explosion dieses Sterns haben sich diese Elemente im ganzen Universum verteilt.»

Das zweite Projekt für die Senderfamilie aus Mainz ist die Wissenschaftsshow «MAITHINK X – Die Show» auf ZDFneo. Start am 24. Oktober. Hier geht es um Themen, die emotional aufgeladen diskutiert werden. «Unser großes Ziel ist es, eine Versachlichung da reinzubringen und trotzdem unterhaltsam zu sein.»

Mai Thi Nguyen-Kim wurde 1987 in Heppenheim bei Darmstadt geboren und wuchs in Hemsbach auf, einem 12 000-Einwohner-Ort in Baden-Württemberg. Ihre Eltern sind Zuwanderer aus Vietnam. Schon als Schülerin war sie wissbegierig und ehrgeizig. Nach einem Einser-Abitur studierte sie von 2006 bis 2012 Chemie in Mainz und Boston. Nach der Promotion in Chemie an der RWTH Aachen 2017 entschied sie sich für den Wissenschaftsjournalismus. Es war die Anfangszeit von Donald Trump als US-Präsident, es war sehr viel von «alternativen Fakten» die Rede. Dagegen wollte sie etwas tun.

Deshalb lehnte sie eine Laborleiterstelle bei BASF ab – sehr zum Leidwesen ihres Vaters, der ebenfalls Chemiker ist. Mittlerweile sieht er die Sache etwas anders. Der Youtube-Kanal maiLab, zwei Bestseller, Moderationen im Fernsehen – wie schafft sie das alles? Sie zeigt auf ihr Gesicht und lacht: «Hier drunter sind tiefe Augenringe.» Nebenbei ist sie vergangenes Jahr auch noch Mutter geworden.

Als ein Bekannter hörte, dass sie schwanger war, hat er ihr geschrieben, dass ihm das Mut mache für seine eigenen Kinder. Denn wenn sie einen solchen Schritt tue, habe sie ja wohl trotz Klimakrise noch Hoffnung für die Welt. Das stimmt auch. Aber es gibt eine andere Entwicklung, die ihr persönlich noch mehr Angst macht als der Klimawandel. «Das ist die Frage, was die sozialen Medien mit unserem menschlichen Miteinander machen. Der Hass, der da verbreitet wird. Die Fake News. Da bin ich viel pessimistischer. Das ist meine größte Sorge für das Leben meiner Tochter.»

Gleichzeitig habe ihr die Kleine aber auch den Glauben an die Menschheit zurückgegeben. «Im Journalismus neigt man ja dazu, zynisch zu werden. Und wenn man dann so etwas erlebt… Diese erste Zeit ist schon Wahnsinn. Jetzt fängt sie an ein bisschen zu reden. Die sind so rein, so neugierig, so fröhlich. Sie wacht morgens auf und strahlt ja schon. Dann schau ich sie an und denke: Ich wusste gar nicht, was für eine tolle Spezies Homo sapiens ist.»

Von Christoph Driessen, dpa

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