Prinz Andrew steht mit dem Rücken zur Wand. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Chris Jackson/PA Wire/dpa)

Prinz Andrew wird für die britischen Royals immer mehr zur Belastung. Der zweitälteste Sohn von Queen Elizabeth II. scheiterte am Mittwoch mit dem Versuch, eine US-Klage wegen Missbrauchsvorwürfen gegen sich zu stoppen.

Ein Gericht in New York wies Einwände von Andrews Anwälten zurück, wie aus einem Gerichtsdokument hervorging, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag.

Klägerin Virginia Giuffre wirft Andrew vor, sie als Minderjährige mehrfach missbraucht zu haben. Sie gibt an, zuvor Opfer eines von dem US-Multimillionär Jeffrey Epstein und seiner Ex-Partnerin Ghislaine Maxwell aufgebauten Missbrauchsrings geworden zu sein. Maxwell war erst vor kurzem von einem Gericht in einem US-Strafverfahren in mehreren Punkten schuldig gesprochen worden und muss mit einer langen Haftstrafe rechnen. Epstein nahm sich 2019 in Untersuchungshaft das Leben. Andrew streitet alle Vorwürfe kategorisch ab.

Alle Einwände abgelehnt

Die Anwälte des 61 Jahre alten Prinzen hatten gehofft, die Klage noch im Keim ersticken zu können, und sich auf einen Vergleich berufen, den Giuffre im Jahr 2009 mit Epstein geschlossen hatte. Richter Lewis Kaplan lehnte die Einwände von Andrews Anwälten jedoch «in jeglicher Hinsicht» ab, wie er in dem Gerichtsdokument deutlich machte.

Bei dem Deal mit Epstein war vereinbart worden, dass keine weiteren Personen im Zusammenhang mit den Missbrauchsvorwürfen zivilrechtlich belangt werden können. Im Gegenzug erhielt Giuffre 500.000 Dollar (im November 2009 umgerechnet rund 330.000 Euro). Doch der Richter entschied nun, dass die Vereinbarung im vorliegenden Fall eine Klage nicht verhindert: Aus der Vereinbarung von Epstein und Giuffre gehe nicht eindeutig hervor, dass die beteiligten Parteien damit beabsichtigt hätten, Prinz Andrew zu schützen.

Auch weitere Einwände von Andrews Anwälten wurden abgeschmettert: «Die Beschwerde von Frau Giuffre ist weder ‚unverständlich‘ noch ‚vage‘ oder ‚zweideutig’», schrieb der Richter. Im Gegenteil: Giuffre habe ihre Vorwürfe konkret und nachvollziehbar dargelegt.

Prozess noch in diesem Jahr?

Wenn von den Anwälten Prinz Andrews nun keine weiteren Einwände kommen oder es zu einem außergerichtlichen Vergleich kommt, könnte es US-Medienberichten zufolge noch in diesem Jahr zu einem Prozess kommen. Bis dahin wären allerdings noch zahlreiche gerichtliche Formalitäten zu klären und Hürden zu nehmen.

Prinz Andrew hatte bereits alle Register gezogen, um die Klage zu stoppen. Unter anderem hatte er sich wochenlang einer Zustellung der Klageschrift entzogen, indem er seinen Wohnsitz auf dem Gelände von Schloss Windsor mied. Später versuchte er die Klage zu vereiteln, indem er seine Anwälte argumentieren ließ, die inzwischen in Australien lebende Giuffre könne nicht in den USA vor Gericht ziehen. In beiden Fällen scheiterte er.

Gegen Andrew gibt es bisher keine strafrechtlichen Ermittlungen. Doch der Schaden für seinen Ruf – und den des Königshauses – ist schon jetzt beträchtlich. Bereits Ende 2019 legte Andrew seine öffentlichen Aufgaben für die Royals nieder. Organisationen, denen er als Schirmherr gedient hatte, distanzierten sich reihenweise von ihm. Zuvor hatte er in einem BBC-Interview versucht, sich zu rechtfertigen – doch der Schuss ging nach hinten los. Seine Erklärungen klangen unglaubwürdig und verschlimmerten die Lage nur noch.

Alptraum für die Queen

Für die Queen dürfte die Aussicht auf einen öffentlichen Prozess gegen ihren Sohn mit Zeugenaussagen in den USA im Jahr ihres 70. Thronjubiläums wie ein Alptraum wirken. Die 95 Jahre alte Monarchin will sich trotz der Pandemie von ihren Untertanen zum Platin-Jubiläum ausgiebig feiern lassen. Zur aktuellen Entwicklung wollte sich der Buckingham-Palast zunächst nicht äußern. «Wir würden eine laufende Gerichtssache nicht kommentieren», hieß es aus dem Palast.

Kommt es zum Prozess, dürfte das Thema noch monatelang die Schlagzeilen beherrschen und es dürften noch viele Details an die Öffentlichkeit gelangen. Einziger Ausweg scheint ein Vergleich. Doch zum einen ist unklar, ob sich die Klägerin darauf einlassen würde, und zum anderen würden damit die Vorwürfe keineswegs ausgeräumt. Andrew steht mit dem Rücken zur Wand.

Von Christina Horsten und Christoph Meyer, dpa

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