Im Missbrauchsskandal um Prinz Andrew zieht sich die Schlinge um den Royal weiter zu.
Seine Mutter, die britische Queen Elizabeth II., entzog ihrem wegen Missbrauchsvorwürfen verklagten Sohn alle militärischen Dienstgrade und royalen Schirmherrschaften. Andrew werde sich in dem US-Prozess als privater Bürger verteidigen und weiterhin keine öffentlichen royalen Aufgaben mehr übernehmen, teilte der Buckingham-Palast knapp mit. Auch die übliche royale Anrede «His Royal Highness» soll der 61-Jährige nicht mehr nutzen dürfen, wie britische Medien unter Berufung auf Insider-Quellen berichteten.
Vorwurf des sexuellen Missbrauchs
Klägerin Virginia Giuffre wirft Andrew vor, sie als Minderjährige vor rund 20 Jahren mehrfach sexuell missbraucht zu haben. Sie gibt an, zuvor Opfer eines von dem früher mit Andrew befreundeten US-Multimillionär Jeffrey Epstein und seiner Ex-Partnerin Ghislaine Maxwell aufgebauten Missbrauchsrings geworden zu sein. Andrew streitet alle Vorwürfe kategorisch ab.
Die Anwälte des Prinzen hatten bis vor kurzem gehofft, die Zivilklage noch im Keim ersticken zu können. Doch deren Einwände lehnte ein New Yorker Gericht am Mittwoch ab. Sollte es nun nicht noch zu einer außergerichtlichen Einigung kommen, steht Andrew ein Prozess bevor.
Ohne den Rückhalt seiner Familie, den der Royal bisher zumindest intern noch hatte, wird es um den Prinzen nun zunehmend einsam. Die öffentliche Meinung hat sich ohnehin längst gegen ihn gewendet. Seine öffentlichen Aufgaben als Mitglied der Royal Family hat Andrew schon seit Bekanntwerden der Vorwürfe niedergelegt, die militärischen Dienstgrade aber bislang behalten.
Mehr als 150 britische Militär-Veteranen hatten die Queen in einem offenen Brief aufgefordert, Prinz Andrew von seinen Rollen im Militär zu entbinden, da er den damit verbundenen hohen Standards an ehrenhaftes Verhalten nicht gerecht geworden sei. «Wäre dies irgendein anderer ranghoher Militäroffizier, wäre es indiskutabel, dass er noch im Amt wäre», hieß es in dem Schreiben. Wie schnell die Queen darauf reagieren würde, hatten wohl die wenigsten erwartet.
Skandalöses Gerichtsverfahren droht
Nach Ansicht von Experten kann nun nur noch eine Millionenzahlung den Queen-Sohn vor einem skandalösen Gerichtsverfahren retten. Der 61-Jährige habe ansonsten keine guten Optionen mehr, kommentierte der renommierte britische Medienanwalt Mark Stephens. «Der Schaden muss begrenzt werden.» Stephens schätzt, dass Andrew für eine außergerichtliche Einigung der Klägerin Virginia Giuffre fünf bis zehn Millionen Pfund (sechs bis zwölf Millionen Euro) bieten müsste. Das Hindernis: «Frau Giuffre wird ihren Tag im Gericht wollen.»
Das macht auch einer der Anwälte der US-Amerikanerin deutlich. «Es ist Virginia Giuffre sehr wichtig, dass diese Angelegenheit auf eine Weise gelöst wird, dass sie und die anderen Opfer Gerechtigkeit erfahren», sagte David Boies der BBC. Er ließ aber eine Hintertür für eine gütliche Einigung offen. Der Fall gilt als bedeutendste Klage gegen ein Mitglied der königlichen Familie in jüngster Zeit.
Andrew für Queen schon seit längerem eine Belastung
Aus dem Königshaus bekommt Andrew nun keinen Penny Unterstützung für seinen Rechtsstreit. Trotzdem könnte er genug Geld für einen Vergleich zur Verfügung haben, wie die Zeitung «The Sun» berichtete. Demnach will er sein Chalet im Schweizer Alpenort Verbier verkaufen und erwartet Einnahmen von mindestens 15 Millionen Pfund.
Für die Queen und die königliche Familie ist Andrew bereits seit längerem eine Belastung. Mit der Fortsetzung des Verfahrens wird seine Position nach Ansicht von Experten immer unhaltbarer. Andrew sei erledigt, sagte Königshaus-Experte Phil Dampier der «Sun». Er sehe keine Möglichkeit, dass Andrew – etwa im Rahmen des Gedenkens an den Falkland-Krieg vor 40 Jahren, in dem er gedient hatte – je wieder öffentlich für das Königshaus auftreten werde.
«Er soll die Verantwortung übernehmen»
Medienanwalt Stephens sagte der BBC, Richter Kaplan habe mit der Entscheidung «eine Bombe in die Mitte und ins Herz der Royal Family» geworfen, die eine Verfassungskrise auslösen könne. «Das einzige, was er tun kann, ist, die Verantwortung zu übernehmen.» Rechtsexperte Spencer Kalvin sagte der «Sun», ein Prozess könne höchst intime und demütigende Fragen aufwerfen.
Andrew wurde erstmals in diesem Jahr wieder kurz in der Öffentlichkeit gesichtet. Die Zeitungen «Sun» und «Daily Mail» veröffentlichten Fotos, die den Queen-Sohn auf dem Rücksitz seines Autos auf dem Gelände von Schloss Windsor zeigten. Der Prinz wirkte in Gedanken versunken. Ausgerechnet zum 70. Jubiläum der Thronbesteigung von Elizabeth steht ihr Sohn im Mittelpunkt der schwersten royalen Krise seit langer Zeit. «Andrew muss die Sache um seiner Mutter willen klären», sagte Royal-Expertin Ingrid Seward.