Das Munch Museum in Oslo. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Steffen Trumpf/dpa)

«Vergiss alles, was du über Museen gelernt hast, das hier ist etwas ganz anderes», sagt Stein Olav Henrichsen, Direktor des neuen Munch-Museums, mit sichtlicher Freude im Gesicht.

Am Freitag kann er endlich die Türen seines Museums im Osloer Zentrum öffnen, wegen Corona ein Jahr später als geplant, doch heute schaut Henrichsen nur noch nach vorn: Im neuen «Munch» erwarte die Gäste mehr als Kunst, schwärmt er. Neben den elf Ausstellungssälen gibt es Orte für Konzerte, Vorträge, Debatten und Aufführungen, ein Kino, Workshops für Kinder, eine Forschungsbibliothek sowie Restaurants und Cafés. «So gesehen ist es ein ganzheitliches Erlebnis, bei dem Edvard Munch und seine Kunst im Mittelpunkt stehen.»

Dass Oslo ein neues Munch-Museum bekommt, ist längst überfällig. Der expressionistische Maler (1863-1944), weltberühmt vor allem für sein Motiv «Der Schrei», hat während des Krieges rund 27.000  Kunstwerke der Stadt Oslo vermacht. Insgesamt verwaltet das Museum eine Sammlung von 42.000 Objekten. Neben den Gemälden auch Papierarbeiten, Aquarelle, Zeichnungen, Drucke, Skulpturen und Fotografien. Im alten Museum im Stadtteile Tøyen konnte nur ein Bruchteil von dem gezeigt werden, denn das Gebäude war viel zu klein. Der größte Teil fristete sein Dasein im Depot.

In dem neuen Gebäude, das majestätisch im Fjord direkt neben der spektakulären Oper von Oslo thront, gibt es Platz genug: 13 Etagen und eine Bruttofläche von 26.000 Quadratmetern. Sieben Etagen sind der Kunst vorbehalten. In welcher Reihenfolge die Besucher die elf Ausstellungsäle durchschreiten, ist nicht vorgeschrieben. «Jeder soll seinen eigenen Weg zu Munch finden», steht im Austellungstext an der Wand in der dritten Etage.

Liebe, Tod, Angst und Einsamkeit – das waren die wichtigsten Themen des Norwegers. Von vielen Motiven gibt es mehrere Ausführungen. So wie Munch das Leben erforschte, so experimentierte er auch in der Kunst. Das Museum will sich deshalb auch nicht allein auf die Meisterwerke konzentrieren. Es präsentiert sein Lebenswerk: unfertig, experimentell und rätselhaft – eine Reise durch die Gedankenwelt eines bemerkenswerten Künstlers. 

Genauso spannend wie das Innere des Museums ist der Blick, den man vom Gebäude nach außen hat. Durch die Fassade aus perforierten Aluminiumplatten sieht man sowohl den Fjord als auch die Silhouette des modernen Oslos. In dem Viertel rund um den Hauptbahnhof wurde in den vergangenen zehn Jahren eine ganze Reihe neuer Büro- und Wohngebäude errichtet. Das Munch-Museum mit seinen 58 Metern Höhe ragt wie ein Leuchtturm heraus. Museumsdirektor Henrichsen spricht von einem Ausrufungszeichen für die Bedeutung des Künstlers, «ein ziemlich solider, fast brutaler architektonischer Ausdruck, der sehr gut zu unserem Künstler Edvard Munch passt, der auch ein monumentaler und kraftvoller Künstler ist.»

Der obere Teil des 300 Millionen Euro teuren Hauses hat einen Knick – «eine respektvolle Verbeugung vor der Oper, der Stadt und der Kunst an sich», sagt Henrichsen. Die Form ähnelt dem elften Buchstaben des griechischen Alphabets, die Architekten haben dem Projekt deshalb den Namen Lambda gegeben.

Die Bevölkerung von Oslo hat die Eröffnung herbeigesehnt. Jeder in Norwegen hat ein Verhältnis zu den Bildern Munchs, schon im Kindergarten spricht man über den «Schrei» oder die «Madonna». «77 Jahre nach seinem Tod öffnen wir endlich die Türen zu einem Museum, das Norwegens größtem Künstler Ehre erweist», sagt Oslos Stadtrat Raymond Johansen.

Doch mit der Ausformung des Gebäudes sind nicht alle zufrieden. «Es sieht aus wie eine Leitplanke», sagt eine junge Frau, die im Viertel spazieren geht. Andere Passanten bezeichnen die Fassade diplomatisch als «originell». Der deutsche Architekt Jens Richter, der gemeinsam mit dem Spanier Juan Herreros hinter den Plänen steckt, nimmt das nicht persönlich: «Wir haben uns der Diskussion gestellt, für uns war das ein wichtiger Teil des Prozesses», so Richter. Absicht sei es, dass die Fassade je nach Wetter und Tageszeit anders aussehe. Davon abgesehen, sei ein Museumsbau, über den niemand spricht, vielleicht auch verfehlt.

Auch Museumsdirektor Henrichsen kann gut mit der Kontroverse leben. «Wir freuen uns sehr, dass unser Künstler ein solches Standing hat, dass alles, was hier passiert, große Aufmerksamkeit und großes Engagement erzeugt», sagt er. Das «Munch» sei ein Gebäude, mit dem man sich auseinandersetzen müsse. «Edward Munch war auch ein Künstler, der sowohl kontrovers war als auch ein Künstler, über den man eine Meinung haben musste.»

Von Sigrid Harms, dpa

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