Nach dem Abhängen des umstrittenen Großbanners „People's Justice“ bleiben auf dem Friedrichsplatz das leere Gerüst sowie die Ständer für die ebenfalls entfernten Pappfiguren zurück. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Uwe Zucchi/dpa)

Der Antisemitismus-Eklat auf der documenta fifteen in Kassel schlägt seit Beginn der Schau Mitte Juni hohe mediale Wellen. Heute nun soll der öffentliche Diskurs eingeläutet werden: Die Bildungsstätte Anne Frank und die Trägergemeinschaft documenta gGmbH laden gemeinsam zu einer Podiumsdiskussion zum Thema «Antisemitismus in der Kunst» ein.

Teilnehmer sind laut Ankündigung unter anderen der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, der wissenschaftliche Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, Doron Kiesel, und Hortensia Völckers, künstlerische Direktorin und Vorstandsmitglied der Kulturstiftung des Bundes. Hessens Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) wird demnach ein Grußwort halten.

Antisemitismus-Vorwürfe schon seit Jahresbeginn

Die Veranstaltung soll Auftakt der Aufarbeitung des Skandals sein, der die documenta fifteen überschattet. Ein als antisemitisch eingestuftes Kunstwerk des indonesischen Kollektivs Taring Padi war nur wenige Tage nach dem Start der Schau Mitte Juni abgebaut worden. Schon seit Jahresbeginn hatte es Antisemitismus-Vorwürfe gegen das kuratierende Kollektiv Ruangrupa aus Indonesien gegeben.

Das Podium solle einen Beitrag leisten für eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus, speziell auch in Bezug auf den Staat Israel, in Kunst und Kultur und auf der documenta fifteen, teilte eine Sprecherin Mendels mit. Im Mittelpunkt stünden dabei die Fragen: Wie konnte es zum aktuellen Antisemitismus-Vorfall kommen? Was braucht es jetzt, damit die polarisierte Situation nicht noch weiter eskaliert? Wie kann eine – staatlich geförderte – Ausstellung antisemitischer Kunst künftig vermieden werden?

Angesichts der schon seit Monaten schwelenden Vorwürfe gegen Ruangrupa hatte die documenta das Thema schon einmal in mehreren Foren mit Expertinnen aus Kolonialismus- und Rassismusforschung, Holocaust- und Antisemitismusforschung sowie Kunst und Kultur diskutieren wollen. Nach Kritik des Zentralrates der Juden an der Zusammensetzung der Foren und dem Umgang mit Antisemitismus wurde die Reihe jedoch abgesagt. Zunächst sollten die Kunstwerke der documenta im Mittelpunkt stehen, hieß es damals.

Weitere Werke werden derzeit geprüft

Nach den Vorwürfen kündigte Generaldirektorin Sabine Schormann vergangene Woche nun erneut eine Gesprächsreihe zu Antisemitismus und Rassismus an. Außerdem solle es einen «Begegnungsstand» am Friedrichsplatz in Kassel geben – mit der Bildungsstätte Anne Frank und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren. Am Friedrichsplatz war das umstrittene Werk aufgestellt, bevor es zunächst verhüllt und schließlich abgebaut wurde.

Zudem werden derzeit alle weiteren Werke mithilfe externer Experten, darunter auch Meron Mendel, auf antisemitische Inhalte geprüft. Mendels Engagement beschränke sich dabei auf eine beratende Tätigkeit, er sei nicht Teil eines Gremiums mit Entscheidungsbefugnissen, erklärte seine Sprecherin.

Wer finanziert die documenta zukünftig?

Kassel will die documenta im Zweifel auch ohne Bundesmittel finanzieren. «Der Stadt Kassel ist es nicht nur durchaus finanziell möglich, sondern insbesondere vor dem Hintergrund der Bedeutung der documenta für unsere Stadt und Stadtgesellschaft auch ideell möglich, die Verantwortung für diese herausragende Veranstaltung auch ohne Beteiligung aus der Bundeshauptstadt zu tragen», schrieb Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) an Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). Der Brief liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Zuvor hatte Roth als Konsequenz aus der Antisemitismus-Diskussion um die documenta Änderungen in der Struktur der Kunstausstellung gefordert. Im Kern will der Bund mehr Einfluss. Roth sieht den Rückzug des Bundes aus dem Aufsichtsrat 2018 bei gleichzeitigem Festhalten an der Bundesförderung als «schweren Fehler». Das soll sich wieder ändern. «Eine finanzielle Förderung des Bundes soll deshalb zukünftig mit einer unmittelbaren Einbindung in die Strukturen der documenta zwingend verbunden werden.»

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