Es geht um mehr Platz im Stall, bessere Bedingungen bei Tiertransporten – und den nächsten Anlauf zu mehr Klarheit für Millionen Supermarktkunden.
Die Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP will ab dem neuen Jahr eine Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch und Wurst an den Start bringen. Gerungen wird um so ein Logo schon lange. Gedacht sein soll es nun aber nicht mehr auf freiwilliger Basis für ein Plus an Tierschutz, sondern als verbindliches System – samt sicherer Finanzierung für die Bauern. Die Verbraucherzentralen fordern als Voraussetzung eine Anhebung der gesetzlichen Standards.
Der Chef des Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, sagte der Deutschen Presse-Agentur, der jetzige Mindeststandard sei in jeglicher Hinsicht unbefriedigend. Wenn Kunden für Produkte künftig auch mehr Geld ausgeben sollten, sei ein tatsächliches und kontrollierbares Mehr an Qualität wichtig sowie die Sicherheit, dass es den Tieren besser gegangen sei. «Und das muss klar erkennbar sein.» Es dürfe nicht passieren, dass der Handel höhere Preise verlange, mehr Tierwohl und artgerechte Haltung aber nur vorgegaukelt würden.
Laut Koalitionsvertrag soll die verbindliche Haltungskennzeichnung auch Transport und Schlachtung umfassen. Dazu kommen soll noch eine Herkunftskennzeichnung. Die Umsetzung könnte indes nicht ganz leicht werden, zwei bisherige Anläufe scheiterten schon. Zuletzt wollte Ministerin Julia Klöckner (CDU) ein freiwilliges Tierwohl-Logo mit umfassenden Kriterien über dem gesetzlichen Standard in die Regale bringen – und erklärte wiederholt, verbindlich gehe das nur EU-weit. Außerdem gibt es bereits eine eigene Fleischkennzeichnung der großen Supermarktketten. Das Logo mit der Aufschrift «Haltungsform» hat vier Stufen, die aber schon mit dem gesetzlichen Mindeststandard beginnen.
«Was der Handel bisher präsentiert hat, ist in den Eingangsstufen schlicht zu wenig», monierte Müller. «Das ist eine marginale Verbesserung für die Tiere.» Wichtig sei, nicht nur auf die Haltung im Stall zu gucken. Der «ganzheitliche Ansatz» mit Schlachtung und Transport sei richtig und sollte um die Züchtung ergänzt werden.
Handel und Ernährungsbranche trommeln für ihre schon breit eingeführte Kennzeichnung, die nach einer eigenen Umfrage inzwischen auf eine Bekanntheit von 65 Prozent bei den Bundesbürgern komme. Diese Stärken müssten unbedingt in die Überlegungen der Koalition einbezogen werden, erklärte der Lebensmittelhandel. Ab Januar soll das Logo auch auf Packungen von Milch und Milchprodukten kommen.
Höhere Standards bedeuteten auch, dass Verbraucher sich auf höhere Preise für tierische Produkte einstellen müssten, erläuterte Müller. «Es wird nicht nur zwei Stufen geben – billiges Fleisch und teures Fleisch -, sondern es muss auch Stufen dazwischen geben.» Dies sei auch wichtig, da der Bio-Standard für viele nicht finanzierbar sei. Er könne sich mit solchen Zwischenstufen Preisaufschläge «zwischen 10 Cent bis vielleicht gut ein Euro pro Kilogramm» vorstellen.
Hintergrund ist, dass die Tierhalter nicht allein auf Kosten sitzen bleiben sollen, wenn sie zum Beispiel in neue Ställe investieren. Der neue Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) erklärte sich schon zum «obersten Anwalt der Landwirtinnen und Landwirte», denen bei der Transformation zu mehr Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz geholfen werden solle. Aber gleichzeitig sei er auch «oberster Tierschützer dieses Landes».
Der Koalitionsvertrag bleibt in puncto Finanzierung eher vage. Dafür soll ein «durch Marktteilnehmer getragenes System» entwickelt werden, um mit den Einnahmen zweckgebunden laufende Kosten und Investitionen zu fördern, ohne den Handel «bürokratisch zu belasten». Doch wie genau? Auf dem Tisch liegen zumindest Modelle wie eine Tierwohlabgabe oder eine Mehrwertsteuererhöhung für tierische Produkte.
Die Verbraucherzentralen mahnen auch zu Tempo bei der Einführung der neuen Kennzeichnung. Özdemir sei nun der dritte Minister, der sich damit beschäftige, sagte Müller. «Es muss jetzt zügig kommen, und es muss auch zügig verfügbar sein im Handel.» Danach gelte es dann aber Geduld zu haben, da viele Verbraucher einen neuen Fleischkonsum nach den Zeiten von Intransparenz auch erst lernen müssten.