Die Bundesnetzagentur hält es für möglich, dass sich die Gaspreise auf hohem Niveau erst einmal stabilisieren.
«Es hat in dieser Woche keinen signifikanten Preissprung mehr gegeben, obwohl Nord Stream 1 abgeschaltet wurde», sagte der Präsident der Behörde, Klaus Müller, der «Bild am Sonntag». «Das könnte bedeuten, dass die Märkte den Ausfall russischer Gas-Lieferungen bereits eingepreist und wir ein Gaspreis-Plateau erreicht haben.»
Seit Montag, 11. Juli, fließt kein Gas mehr durch Nord Stream 1, die wichtigste Pipeline für Erdgas aus Russland. Der Gastransport wurde für jährliche Wartungsarbeiten an den Verdichterstationen der Ostsee-Leitung unterbrochen. Die Arbeiten sollen nach Angaben der Betreibergesellschaft bis 21. Juli dauern. In Deutschland gibt es aber die Sorge, dass die Pipeline nicht wieder in Betrieb genommen wird. In diesem Fall dürfte Gas im Winter knapp werden, weil Ersatz aus anderen Quellen absehbar nicht im vollen Umfang beschafft werden kann.
Verbraucher bemühen sich ums Energiesparen
Angesichts des drohenden Gasmangels bemühen sich die Verbraucher in Deutschland verstärkt ums Energiesparen. Das geht aus einer Yougov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor. Insgesamt 39 Prozent der Teilnehmer haben demnach ihren Energieverbrauch seit Beginn des Ukraine-Kriegs reduziert, entweder gleich zu Beginn des russischen Angriffs (11 Prozent) oder in den vergangenen vier Wochen (28 Prozent). Weitere 27 Prozent achten nach eigenen Angaben ohnehin auf einen reduzierten Energieverbrauch, haben diesen seit Kriegsbeginn aber auch nicht weiter gesenkt.
Eine populäre Energiesparmaßnahme ist dabei, kürzer oder kälter zu duschen: 49 Prozent der Energiesparenden machen das. Gut die Hälfte (53 Prozent) hat die Zahl der elektrischen Geräte im Standby-Modus reduziert. Mehr als ein Drittel der Energiesparer (35 Prozent) will seine Heizung überprüfen lassen oder hat das schon getan.
Habeck fordert Energiesparen in öffentlichen Gebäuden
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) forderte Unternehmen mit Büroräumen auf, sich am Energiesparen zu beteiligen. Auch öffentliche Gebäude müssten in Randzeiten nicht voll beheizt werden, sagte Habeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). Ganze Bürotürme auf mehr als 20 Grad zu heizen, wenn nur drei Menschen drinsäßen, werde man sich nicht leisten können. «Es wäre doch fatal, Büros bis 23 Uhr zu heizen und gleichzeitig ganze Industriezweige zu zerstören.»
Die Städte versuchen nach Angaben des Deutschen Städtetages jetzt schon alles, um ihren Gasverbrauch zu senken. Die Krisenstäbe der Städte arbeiteten an einem Stufenverfahren für den Zeitpunkt, zu dem man wisse, wie es um die Gasversorgung stehe, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy im Deutschlandfunk.
Minister Habeck bekräftigte die Absicht, auch im nächsten Jahr eine Kostenentlastung der Bürger zu verwirklichen. «Selbst Gutverdiener schlucken, wenn sie statt 1500 plötzlich 4500 Euro im Jahr fürs Heizen bezahlen müssen. Für Menschen mit mittleren oder geringen Einkommen sind diese Summen schlicht nicht darstellbar. Hier muss die Bundesregierung Entlastungen organisieren, und zwar auch 2023. Ich bin mir sicher, dass das Finanzministerium dafür noch Vorsorge schaffen wird», sagte Habeck.
Söder: «Wie und wann kommt das Gas?»
Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Markus Söder hielt der Bundesregierung vor, keinen durchdachten Plan für den Ersatz von russischem Gas zu haben. «Andere Länder melden den Abschluss von Gasverträgen mit Katar – bei uns Fehlanzeige, warum nur? Wie und wann kommt das Gas?» Stattdessen gebe es in Berlin einen Überbietungswettbewerb an Vorschlägen, wo sich die Menschen einschränken sollten. «Besonders absurd ist die Idee, Ältere und Bedürftige im Winter in Wärmehallen unterzubringen. Dabei sind warme Wohnungen die zentrale Aufgabe der Bundesregierung.»
Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey forderte ein enges Zusammenwirken von Bund und Ländern in der Gaskrise. Sollte Russland die Regler nach den Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 nicht wieder aufdrehen, müsse eine Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz gemeinsam mit der Bundesregierung einberufen werden, sagte die SPD-Politikerin der dpa. «Das hätte massive Auswirkungen auf alle. Und an dieser Stelle ist es aus meiner Sicht absolut erforderlich, dass es einen sehr, sehr engen Schulterschluss zwischen Bund und Ländern gibt», sagte Giffey.