Imelda Staunton spielt in der fünften Staffel der Netflix-Serie «The Crown» Königin Elizabeth II. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Alex Bailey/Netflix/dpa)

Prinz Charles und Prinzessin Diana schauen sich an. «Wollen wir ihnen etwas von dem alten Zauber geben?» Zustimmendes Nicken, ein Zwinkern, dann dreht sich das Paar über die Reling einer großzügigen Jacht, winkt den Fotografen zu und turtelt für die Kameras der Welt. Doch hinter den Kulissen bröckelt die Harmonie bereits erheblich, wie direkt in der ersten neuen Folge der Netflix-Serie «The Crown» zu sehen ist.

Die fünfte Staffel, die ab dem 9. November zu sehen ist, spielt in den 90er Jahren und widmet sich den unrühmlichsten Kapitel in der Lebensgeschichte des neuen britischen Königs Charles III.

«Für den König und die Königsgemahlin ist es unglücklich, dass ausgerechnet zum Start seiner Regentschaft „The Crown“ zufälligerweise in diesen Jahren angekommen ist und „das „Charles-Diana-Camilla-Thema“ aufrollt», sagt Royal-Experte Craig Prescott, der an der Universität im walisischen Bangor Verfassungsrecht lehrt, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Dianas Ausbruch aus dem goldenen Käfig

Die Serie geht – wie schon zu Beginn der dritten Staffel – erneut mit neuen Schauspielern an den Start, um dem Altern der Protagonisten Rechnung zu tragen. Die 66-jährige Imelda Staunton folgt als Queen Elizabeth II. auf Olivia Colman und Claire Foy und gibt ein überzeugendendes Bild der stets pflichtbewussten Monarchin ab.

Der nun von Dominic West (53) verkörperte Charles hält es in der Urlaubsszene nicht lange in der sonnengetränkten maritimen Idylle mit seiner Frau und seinen Kindern aus. Wegen einer angeblichen Terminkollision muss die Familie ihre Zeit an Bord der Jacht vorzeitig abbrechen. Prinzessin Diana (Elizabeth Debicki) wischt sich im Flieger gen Heimat eine Träne vom Gesicht, ihr junger Sohn William schaut sie mitleidig an und reicht ihr die Hand. Ihr Leiden, ihr Ausbruch aus dem goldenen Käfig steht im Zentrum der neuen Staffel.

Doch zurück aus dem Urlaub bestimmt zunächst eine Umfrage der «Sunday Times» die Debatte: Mehr als die Hälfte der Briten empfinden demnach die Queen Elizabeth als altmodisch und realitätsfern, ihr Sohn Charles schneidet da noch, vor der Diana-Tragödie, deutlich besser ab. Was ihn laut darüber nachdenken lässt, seine Mutter könne abdanken und ihm Platz machen – sogar bei einem Treffen mit dem damaligen konservativen Premierminister John Major.

«The Crown» hat viele künstlerische Freiheiten

Was hier Fakt ist und was Fiktion, lässt Netflix offen. Zwar wehrte sich der Streaming-Riese gegen die Forderung, einen entsprechenden Disclaimer an den Beginn seiner Folgen zu setzen, hat jedoch auch nie behauptet, mit «The Crown» eine Doku-Serie zu erschaffen. Dass die Handlung der Serie eng an die historischen Ereignisse andockt, aber sich ihren künstlerisch-fiktiven Freiraum lässt, macht es für Nicht-Royal-Experten zuweilen schwer zu unterscheiden.

Während den meisten Briten durch die intensive Berichterstattung die royalen Ereignisse der 90er Jahre ziemlich vertraut sind, dürfte es gerade für jüngere Zielgruppen im Ausland das erste Mal sein, dass sie sich intensiver mit dem dramatischen Jahrzehnt im Hause Windsor auseinandersetzen. «In Großbritannien wird der Effekt vielleicht überschätzt», meint Prescott. «Im Ausland könnte er größer sein.»

Anders als britische Sender, die sonst für den Großteil der royalen Fernsehformate verantwortlich sind, hat Netflix nach Ansicht von Prescott größere Freiheiten. «Die Sender sind für ihre Berichterstattung auf eine gute Beziehung zum Palast angewiesen. Das kann Netflix egal sein», meint der Experte. Das Königshaus habe keinerlei Einfluss oder Kontrolle, sondern sei von Netflix abhängig.

Ex-Premier John Major reagierte erbost

Die Drehbuchautoren spielen raffiniert mit Parallelen, aber auch scharfen Kontrasten zur Gegenwart: Charles auf dem Thron? Könnte aktueller kaum sein, ist allerdings, wie wir nun wissen, erst rund 30 Jahre später Realität geworden. Die Queen unbeliebt? Könnte kaum weiter von der Realität entfernt sein, in der sich erst kürzlich Hunderttausende tage- und nächtelang in eine kilometerlange Schlange am Themse-Ufer einreihten, um ihrer Monarchin die letzte Ehre zu erweisen.

Dass auch bei dem Treffen von Charles und John Major einige Fantasie im Spiel war, wurde schon vor dem Start der neuen Staffel klar. Ex-Premier John Major, der Großbritannien von 1990 bis 1997 regierte, bezeichnete die Serie in der «Times» als «schädliche und böswillige Fiktion». Dass er kritisch über die Royals geredet oder mit Charles ein verschwörerisches Treffen gehabt habe, weist er weit von sich.

Ob auch der Palast selbst – gerade unter dem als direkt geltenden – König Charles auch selbst Dinge gerade rücken wird, die per «The Crown» durch die Welt flimmern, ist abzuwarten. «Wie wir an John Major sehen, gibt es viele andere, die das gerne tun», sagt Royal-Experte Prescott. Womöglich müsse der Palast sich also gar nicht selbst äußern, um auf die ein oder andere fiktive Volte von Drehbuchautor Peter Morgan aufmerksam zu machen.

Von Larissa Schwedes, dpa

Von