Regiert seit 2010 in Ungarn: Viktor Orban. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marton Monus/dpa)

Nach heftiger Kritik am geplanten Sanktionspaket gegen Russland könnten Ungarn, die Slowakei und Tschechien mehr Zeit bekommen, um ein Öl-Embargo umzusetzen.

Ein neuer Vorschlag der EU-Kommission würde Ungarn und der Slowakei bis Ende 2024 Zeit geben, um ihre Öl-Einkäufe aus Russland einzustellen, wie die Deutsche Presse-Agentur von Diplomaten erfuhr. Tschechien könnte demnach bis Juni 2024 Zeit bekommen, um den Lieferstopp vollständig umzusetzen. Für den Fall, dass eine alternative Pipeline davor fertiggestellt wird, könnte das Embargo für Prag früher gelten. Die Vorschläge wurden am Freitag von den ständigen Vertretern der EU-Staaten diskutiert und können sich noch ändern.

Die EU-Kommission hatte einen ersten Entwurf für ein sechstes europäisches Sanktionspaket gegen Russland in der Nacht zum Mittwoch an die Mitgliedstaaten übermittelt. Darin war vorgesehen, dass die Slowakei und Ungarn noch bis Ende 2023 russisches Öl kaufen dürfen, da sie von den Lieferungen besonders abhängig sind. Alle anderen Länder sollten die russischen Rohöllieferungen in sechs Monaten stoppen und den Bezug von Ölprodukten wie Diesel und Kerosin in acht Monaten.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Freitag, es sei nicht einfach, Einigkeit herzustellen und das Öl-Embargo schnell umzusetzen. Die Mitgliedstaaten seien unterschiedlich stark vorbereitet auf einen solchen Schritt. «Ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Paket auch auf den Weg bringen. Wenn es einen Tag länger dauert, dann dauert es eben einen Tag länger.»

Berlin signalisiert Zustimmung

Die Bundesregierung hat Zustimmung dafür signalisiert, dass einige EU-Länder mehr Zeit bekommen könnten, um ein Öl-Embargo gegen Russland umzusetzen. Eine Regierungssprecherin sagte am Freitag in Berlin, Kanzler Olaf Scholz habe betont, dass jede Art von Embargo Russland stärker treffen solle als Deutschland oder EU-Partner. In diesem Lichte seien Beratungen über «mögliche Ausnahmen oder Verlängerungen» zu sehen.

Dies sei in keiner Weise ein Hinweis darauf, dass man sich nicht einig wäre, dass harte Sanktionen gegen Russland absolut notwendig seien. Sondern es gehe um die Versorgungssituation in diesen Länder, so die Sprecherin. Es gehe darum, dass diese Länder unterstützt werden, so rasch wie möglich, von russischem Öl und Gas mittelfristig unabhängig zu werden. In diesem Lichte seien die unterschiedlichen Zeiträume, in denen ein Embargo möglich sei, zu verstehen.

Orban übt scharfe Kritik

Der ungarische Premierminister Viktor Orban hatte den Vorstoß der Kommission vehement kritisiert. «Er kommt einer Atombombe gleich, die auf die ungarische Wirtschaft abgeworfen wird», sagte der rechtsnationale Politiker am Freitag im staatlichen Rundfunk. «Für die Umstellung (auf Öl ohne russische Importe) brauchen wir nach unseren eigenen Berechnungen fünf Jahre, ein Aufschub von einem oder anderthalb Jahren bringt nichts», führte Orban weiter aus.

Damit das Sanktionspaket umgesetzt werden kann, müssen alle Länder zustimmen. Ziel ist es, das Sanktionspaket am Wochenende zu beschließen.

Ungarn stark an Russland angenähert

Orban regiert seit 2010 in Ungarn. Im Vormonat gewann seine Fidesz-Partei die Parlamentswahl, was ihm die vierte Ministerpräsidentschaft in Folge brachte. Unter seiner Herrschaft hat sich das Land stark an Russland angenähert. Die bisherigen Sanktionspakete der EU, die diese als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erlassen hatte, trug Budapest allerdings mit.

«Doch schon damals sagten wir, dass es eine rote Linie gibt, die nicht überschritten werden darf. Das ist der Energiesektor», sagte Orban in dem Rundfunk-Interview. Ob gewollt oder ungewollt habe die EU-Kommission mit ihrem Ölembargo-Plan «die (in dieser Situation) entstandene Einheit Europas angegriffen».

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