Christian Lindner (l, FDP), Bundesminister der Finanzen, und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, nehmen an der Sitzung des Bundestags teil. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Kay Nietfeld/dpa)

Wegen drastisch steigender Energiekosten rückt eine Gaspreisbremse immer stärker in den Blick – und die geplante Gasumlage kommt zusehends ins Wackeln. Zweifel an dem Aufschlag für Millionen Kunden zum Ausgleich höherer Gas-Beschaffungskosten äußerte nun auch Bundesfinanzminister Christian Lindner.

«Es stellt sich mir bei der Gasumlage weniger die Rechtsfrage, sondern immer mehr die wirtschaftliche Sinnfrage», sagte der FDP-Chef der «Bild am Sonntag». «Wir haben eine Gasumlage, die den Preis erhöht. Aber wir brauchen eine Gaspreisbremse, die den Preis senkt.» Um die Finanzierung gibt es aber schon Streit. Kommen sollen weitere Regelungen, um Haushalte mit Zahlungsnöten vor drohenden Gas- und Stromsperren zu schützen.

Bundeskanzler Olaf Scholz stellte baldige Vorschläge zum Dämpfen der Gaspreise in Aussicht. Es gehe jetzt darum, «wie wir die viel zu hohen Preise reduzieren können, und zwar sowohl diejenigen für Strom als auch diejenigen für Gas», sagte der SPD-Politiker am Sonntag am Rande eines Besuchs in Katar. Eine Kommission habe dazu am Samstag Beratungen aufgenommen und leiste «sehr gute, konstruktive» Arbeit. «Wir werden da auch mit schnellen Ergebnissen rechnen können.»

Viele Fragezeichen um die Gasumlage

Zur Gasumlage hielt sich der Kanzler auf Reisen bedeckt. Rund um diese Stütze für Versorger gibt es aber mehr und mehr Fragezeichen, seitdem der Bund die Verstaatlichung des großen Gasimporteurs Uniper beschlossen hat. Die Regierung will dennoch vorerst an der Umlage festhalten, die zum 1. Oktober kommen soll – zumindest als «Brücke», wie es Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte. Denn bis zum Vollzug der Uniper-Übernahme dauert es noch einige Monate. Das Ressort verwies zugleich auf mögliche finanzverfassungsrechtliche Risiken, wenn Hauptprofiteure der Umlage in Staatshand sein sollten.

Dass die Gasumlage auf den Prüfstand soll, hat auch schon SPD-Chef Lars Klingbeil verlangt. Er rechnete am Sonntag damit, dass das Thema in der neuen Woche entschieden wird. «Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir in der nächsten Woche eine finale Entscheidung zur Gasumlage bekommen werden», sagte er in der ZDF-Sendung «Berlin direkt». «Klar ist, wir müssen die Kraft haben, das offen zu diskutieren und uns notfalls auch zu korrigieren.» Am Ende müsse Habeck als zuständiger Minister sagen, wie es mit der Gasumlage weitergehe.

Die parallele Debatte um eine Bremse für die Gaspreise nahm am Wochenende weiter Fahrt auf. Lindner argumentierte, bis Hilfen für Haushalte, Handwerk, Sportvereine oder Kultur stehen würden, vergehe noch Zeit. «Eine Gaspreisbremse muss allen Menschen in einer Volkswirtschaft schnell helfen.» Auch Grünen-Chef Omid Nouripour machte sich am Sonntag für eine Preisbegrenzung stark. «Der Strompreisdeckel wird kommen», sagte er bei einem Parteitag im bayerischen Landshut. «Aber wir brauchen natürlich auch einen Gaspreisdeckel.» Das sei kompliziert, aber man müsse das angehen.

Habeck betonte am Sonntag, Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger bräuchten dringend Entlastung. «Die Gaspreise müssen runter, die Kosten für Wirtschaft und Haushalte müssen begrenzt werden», sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Man müsse jetzt aber auch «alle Finanzkraft des Staates aufbringen, die nötig ist, um die gute Substanz unserer Volkswirtschaft durch diese Krise zu führen und den sozialen Zusammenhalt zu wahren».

Erneut Debatte um Schuldenbremse

Die Frage eines zusätzlichen Gaspreisdämpfers befeuerte prompt die schwelende Debatte um die Schuldenbremse im Grundgesetz, die Bund und Ländern nur in geringem Maße die Aufnahme neuer Kredite erlaubt. Lindner will sie 2023 wieder einhalten. «Eine Gaspreisbremse muss mit langfristig stabilen Staatsfinanzen verbunden werden», stellte er denn auch fest. «Die Schuldenbremse für den Bundeshaushalt steht.»

Die Grünen gaben den Ball nach Lindners Vorstoß aber umgehend zurück: «Die Gasumlage kann weg, sobald es aus dem Finanzministerium die Bereitschaft für eine Alternative gibt. Diese Alternative heißt: eine Finanzierung aus Haushaltsmitteln», sagte Parteichefin Ricarda Lang. Lindner müsse jetzt liefern und die nötigen Mittel bereit stellen, um Versorger zu stabilisieren und die Energiepreise zu senken. Das Deckeln der Gaspreise für den Grundbedarf sei ein richtigen Weg.

SPD-Chefin Saskia Esken sagte zu dem offenen Thema der Finanzierung, ihrer Auffassung nach seien die Bedingungen längst gegeben, die Schuldenbremse auch 2023 auszusetzen. «Man kann natürlich auch den Weg eines Sondervermögens gehen», sagte sie am Sonntag in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin» mit Blick auf die Bundeswehr, für die ebenfalls ein Sondervermögen geschaffen worden war. Das hätte den Vorteil, dass man das Vermögen noch in diesem Jahr aufnehmen könne, wo man noch die Ausnahme von der Schuldenbremse habe, so Esken. «Aber am Ende geht es darum, dass wir die Dinge finanzieren müssen.»

Auch in der Corona-Krise hätten viele ihre Vermögen erhöht, sagte die SPD-Vorsitzende. «Ich bin der Auffassung, dass diejenigen mit den sehr hohen Vermögen und diejenigen mit den sehr hohen Einkommen jetzt auch ihren Beitrag leisten sollten.»

Druck, bei den Preisen etwas zu tun, kommt auch von den Kommunen. «Bürger und Betriebe können die steigenden Kosten für Gas und Strom sowie die hohe Inflation vielfach nicht mehr tragen», sagte der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). Besser als die Umlage sei die Stützung einzelner Energieunternehmen durch Bundesmittel. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte erneut einen «Deckel» für den Gaspreis und eine Begrenzung auch beim Sprit. Sein Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) schlug vor, den Gaspreis noch im Oktober auf acht Cent je Kilowattstunde zu deckeln. Die Differenz zum derzeitigen Preis von mehr als 20 Cent solle der Staat den Energieversorgern zahlen.

Angehen will die Regierung einen verstärkten Schutz für Haushalte, denen im Winter drohen könnte, dass ihnen Strom und Gas abgestellt werden. Bundesverbraucherministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte der Deutschen Presse-Agentur, die geplante Strompreisbremse werde schon einmal die Zahl der Fälle verringern, in denen Menschen sich ihre Stromrechnung nicht mehr leisten könnten. «Zusätzlich werden wir eine Regelung gesetzlich verankern, die Strom- und Gassperren verhindert.»

Von Sascha Meyer und Stefan Heinemeyer, dpa

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