Das Handwerk in Deutschland hat einer Studie zufolge keinen guten Ruf. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Julian Stratenschulte/dpa)

In Deutschland erwägen im internationalen Vergleich nur relativ wenige Menschen einen Handwerksberuf. Die Branche werde hierzulande vor allem hinsichtlich Gehaltschancen schlechter bewertet als in anderen Ländern, heißt es in einer repräsentativen Studie des US-Mischkonzerns 3M.

Nur 10 Prozent der Befragten sind in Deutschland in einem Handwerksberuf tätig und 18 weitere Prozent haben je über eine Laufbahn in der Branche nachgedacht, wie das am Montag veröffentlichte Papier zeigt. Das sei der niedrigste Wert aller 17 untersuchten Länder. Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht indes die Branche auch selbst in der Pflicht.

Fast drei Viertel der Befragten (72 Prozent) gaben in der Studie an, sie seien nicht im Handwerk tätig und hätten auch nicht über eine Laufbahn dort nachgedacht. In Frankreich etwa waren es 56 Prozent.

Zudem glauben nur 49 Prozent der Befragten in Deutschland, dass sie mit einer solchen Ausbildung ähnlich gut verdienen könnten wie mit einem Beruf, der ein vierjähriges Universitätsstudium erfordert – 14 Prozent stimmen dem voll zu und 35 stimmen eher zu. Auch das sei der niedrigste Wert unter den betrachteten Ländern, hieß es. Global waren es zusammen 71 Prozent.

Dabei fehlt es offenbar nicht an der Wahrnehmung von Chancen im Handwerk: 87 Prozent der Befragten sehen in der Branche viele Jobmöglichkeiten, das sind etwas mehr als im weltweiten Schnitt. 53 Prozent gaben aber an, sie verfolgten andere berufliche Interessen. 20 Prozent bezweifelten, dass sie damit genug Geld verdienen würden.

Für die Studie von 3M wurden im Auftrag des Marktforschers Ipsos in 17 Ländern jeweils rund 1000 Menschen befragt – darunter Deutschland, Frankreich, die USA, Großbritannien, Brasilien, Indien und Mexiko. Die Daten wurden zwischen September und Dezember 2021 erhoben.

Handwerkspräsident fordert «Bildungswende»

Das Handwerk in Deutschland beklagt schon lange, dass sich viele junge Menschen für ein Studium anstelle einer Ausbildung entscheiden. Ende Juli hatte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer angesichts des Fachkräftemangels eine «Bildungswende» gefordert. «Wir gehen von einer Viertelmillion Fachkräften aus, die im Handwerk fehlen», hatte er der dpa gesagt. Ziele etwa beim Einbau von Wärmepumpen seien dann schwierig zu erreichen. Das Handwerk zählt laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) neben der Sozialarbeit, Erziehung, Pflege und IT zu den Branchen, in denen die Personalnot besonders groß ist.

Die Branche sei bereit, die Ausbildungskapazitäten hochzufahren, hatte Wollseifer gesagt. «Unsere Betriebe bieten schon seit Jahren Tausende Ausbildungsplätze und damit Ausbildungschancen an, die aber nicht genutzt werden. Man müsse weg von der Vorstellung, «dass nur ein Studium beruflichen und persönlichen Erfolg bringen kann, und hin zu mehr Anerkennung und Wertschätzung der beruflichen Bildung».

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) monierte Nachholbedarf in der Branche. «Immer weniger Jugendliche entscheiden sich für eine Ausbildung im Handwerk oder brechen diese vorzeitig ab. Das Handwerk kann selbst viel dafür tun, dass sich das ändert», sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Er nannte die Qualität der Ausbildung, aber auch Arbeitsbedingungen und die Bezahlung.

60 Prozent der im Handwerk ausgebildeten Fachkräfte verließen die Branche schnell wieder und gingen in die Industrie, den öffentlichen Dienst oder zur Bahn, stellte Körzell fest. Mit ihrer Qualifikation verdienten sie dort mehr. Tarifverträge würden helfen. Derzeit arbeiteten aber nur 30 Prozent der Handwerk-Beschäftigten unter einem Tarifvertrag. «Damit setzt die Branche ihre Zukunft aufs Spiel.»

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