Der Spielleiter der 42. Passionsspiele Oberammergau, Christian Stückl (M), gibt Anweisungen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Angelika Warmuth/dpa)

Täglich wird geprobt, der Ticketverkauf läuft auf Hochtouren: Endspurt für die coronabedingt um zwei Jahre verschobenen Passionsspiele von Oberammergau. «Wir sind in den letzten Vorbereitungen», sagte Bürgermeister Andreas Rödl (CSU) am Mittwoch.

Es sei das erste große Event, das in Deutschland nach den Corona-Jahren auf die Bühne gebracht werde. «Wir haben nie den Mut verloren, an die Passion zu glauben.» Am 14. Mai ist Premiere.

Es habe viele Hürden gegeben. «Wir hatten fast auf jeder Probe einen Corona-Kranken. Es war echt schwierig, das Ganze zusammenzubringen», sagt Spielleiter Christian Stückl. In den vergangenen Tagen sei nun aber eine Art Ruhe eingekehrt. Rund 75 Prozent der Tickets für die rund 100 Vorstellungen bis zum 2. Oktober sind verkauft. Ab 65 Prozent ist Oberammergau in den schwarzen Zahlen.

Die Corona-Sorgen nehmen ab. Er sei froh, dass das Publikum nicht getestet und kontrolliert werden müsse. Die Spieler werden aber weiter getestet, alle Hauptrollen sind doppelt besetzt. Sollten wirklich beide Jesus- oder Marien-Darsteller krank werden, müsse eben mal eine Vorstellung ausfallen.

Teils düstere Bilder verspricht der Bühnen- und Kostümbildner Stefan Hageneier. Schon als er Bühnenbild und Kostüme entwarf, tobte der Krieg in Syrien, die Flüchtlingskrise war noch nicht überwunden.

Die Welt hat sich verändert seit der letzten Passion 2010, als das Spiel noch regelrecht farbenfroh daherkam. Umso mehr will Stückl, der das Laienspiel zum vierten Mal inszeniert, das Leben und die Botschaft Jesu in den Mittelpunkt rücken. «Wir haben früher die Leidensgeschichte von Jesus erzählt. Aber ganz wichtig ist die Lebensgeschichte. Was wollte er in seinem Leben – und für was ist er ans Kreuz geschlagen worden?»

Da gehe es weniger um theologische Fragen als um das Handeln Jesu. Die Kluft zwischen Arm und Reich, Flucht, Vertreibung und Krieg – das sind für Stückl die zentralen Themen.

Laienspiel modernisiert

Der 60-Jährige hat das fast 400 Jahre alte Laienspiel, das er 1990 erstmals inszenierte, grundlegend modernisiert. Er hat Frauen darin mehr Gewicht gegeben. Zudem hat er das Spiel von christlichen Anti-Judaismen befreit, dafür bekam er mehrere Preise.

Stückl lässt Jesus hebräisch sprechen. «Wir versuchen schon klar zu machen: Es geht in dem ganzen Stück nicht um einen christlich-jüdischen Konflikt.» Vielmehr sei es ein inner-jüdischer. Jesus habe wohl zu keinem Zeitpunkt seines Lebens an die Gründung einer katholischen Kirche gedacht. «Jesus war von seinem ganzen Wesen gläubiger Jude. Er hat für das Gesetz des Moses gekämpft.»

Neu gestaltet ist auch die Musik unter Leitung von Markus Zwink. Orchester und Chor – zusammen rund 120 Menschen – sollen fließend überleiten zwischen den Szenen aus dem Leben Jesu und den alttestamentlichen lebenden Bildern.

Dabei wird auch der Bogen zur Entstehung der Passion geschlagen: Erstmals tragen die Chormitglieder Kleider, die aus der Zeit von 1634 stammen könnten – die Zeit, als die Oberammergauer, heimgesucht von der Pest, gelobten, alle zehn Jahre die Passion aufzuführen. Danach soll der Legende nach niemand mehr an der Pest gestorben sein.

Jesus reitete auf einem echten Esel

Trotz aller Erneuerung: Vieles bleibt traditionell. Die Kostüme sind historisch nachempfunden, Jesus reitet auf einem echten Esel nach Jerusalem. Ob Jesus auf der Bühne auch von einer Frau dargestellt werden könne? Das werde er wohl nicht erleben, meint Stückl.

Insgesamt 2100 Oberammergauer und damit mehr als ein Drittel der gut 5000 Einwohner wirken an der Aufführung mit. Bei den Spielern gebe es genug Nachwuchs, die Passion sei von 20- bis 35-Jährigen getragen. Beim Publikum sehe das anders aus. Um mehr Jugend ins Haus zu holen, gibt es am kommenden Wochenende erstmals extra Proben-Vorstellungen für Jugendliche aus aller Welt. Mehrere Tausend junge Menschen aus Deutschland, aber unter anderem auch aus Schweden, Kanada, Österreich, Indien und Eritrea werden die Proben sehen – rund 8800 Karten sind zu stark vergünstigten Preisen zu haben.

Auch der G7-Gipfel im Landkreis Garmisch-Partenkirchen Ende Juni wirft offensichtlich seine Schatten. Die Polizei wolle, dass das Passionstheater umzäunt werde. Man werde dem folgen, auch wenn es – so Stückl «mir persönlich nicht gefällt». «Wir kommen uns alle ein bissel vor wie im Tierpark. Lange Haare und Zäune außenrum.»

Von Sabine Dobel, dpa

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