Ostseepipeline Nord Stream 2 erhält letzte Röhre
Schlepper ziehen das russische Rohr-Verlegeschiff «Fortuna» aus dem Hafen auf die Ostsee. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa)

Für die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 ist mit mehr als anderthalbjähriger Verzögerung das letzte Rohr verschweißt worden.

Es werde zunächst in deutschen Gewässern auf den Meeresboden herabgelassen, teilte die Nord Stream 2 AG am Montag mit. Danach soll es über Wasser mit dem von der deutschen Küste kommenden Abschnitt verschweißt werden.

Betriebsbereit ist die Pipeline damit aber nicht. Danach stehen laut Nord Stream 2 etwa noch Dichtigkeitsprüfungen und weitere Schweißarbeiten an Land aus. Erwartet wird, dass der russische Gasmonopolist Gazprom im Oktober das erste Erdgas durch die neue Pipeline nach Deutschland liefert und dafür zunächst den Strang nutzt, der bereits im Juni fertig verlegt worden war. Vor allem der Widerstand der USA, die Sanktionen gegen die Leitung androhten und auch verhängten, verzögerte den Bau, der Ende 2019 hatte beendet werden sollen.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), die ungeachtet der Kritik aus dem In- und Ausland den Pipeline-Bau stets unterstützt hatte, zeigte sich erfreut über den bevorstehenden Abschluss der Bauarbeiten. «Es war richtig, dass die Landesregierung immer an der Ostseepipeline festgehalten hat. Die Erdgasleitung wird gebraucht für die Energiewende in Deutschland», betonte sie in Schwerin. Nach dem Ausstieg aus der Atomkraft-Nutzung und mit dem Ende der Kohleverstromung werde neben Ökostrom zumindest für eine Übergangszeit auch noch Gas als Energieträger benötigt.

Die Bauarbeiten für Nord Stream 2 hatten 2018 begonnen. Die Leitung soll künftig 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr von Russland durch die Ostsee nach Deutschland liefern. Damit können nach Angaben der Betreibergesellschaft 26 Millionen Haushalte versorgt werden. Die Baukosten der 1230 Kilometer langen Pipeline, die zwei Stränge hat, werden mit mehr als zehn Milliarden Euro angegeben. Die Leitung war je zur Hälfte vom russischen Energieriesen Gazprom und den fünf europäischen Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell finanziert worden.

Der Gastransport hängt unter anderem von der Erlaubnis der deutschen Behörden ab. Noch in diesem Jahr will Gazprom 5,6 Milliarden Kubikmeter Gas durch die Leitung pumpen, wie das Unternehmen unlängst mitgeteilt hatte. Nord Stream 2 verläuft von Wyborg in Russland durch die Ostsee bis nach Lubmin bei Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern.

Das Projekt ist umstritten. Die US-Regierung kritisiert, Europa mache sich dadurch bei der Energieversorgung zu stark von Russland abhängig. Eine deutsch-amerikanische Vereinbarung sieht vor, dass Russland mit Sanktionen belegt wird, sollte die Pipeline als geopolitische «Waffe» genutzt werden.

Russland hatte Nord Stream 1 und nun auch Nord Stream 2 gebaut, um unabhängiger zu werden von dem lange Zeit wichtigsten Transitland Ukraine für die Erdgaslieferungen nach Europa. Die beiden Länder sind tief zerstritten. Zudem kritisiert Moskau, dass Kiew nichts tue, um die maroden Leitungen des Transitnetzes im eigenen Land zu sanieren.

Die finanzschwache Ukraine wiederum ist dringend auf die Milliardeneinnahmen aus den Durchleitungsgebühren für den Gastransit angewiesen. Sie fürchtet Verluste und hofft auf Deutschlands Unterstützung, um auch künftig noch eine Rolle zu spielen als Transitland. Der aktuelle Vertrag über die Durchleitung von russischem Gas nach Europa läuft 2024 aus. Die Ukraine will ihn unter deutscher Vermittlung verlängern.

Allerdings hatte der russische Präsident Wladimir Putin immer wieder gesagt, dass der künftige Gastransit über die Ukraine abhängig sei von der Nachfrage auf dem europäischen Energiemarkt. Er betonte auch, dass Russland nicht zuständig sei für den ukrainischen Staatshaushalt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bei ihrem Besuch in der Ukraine am 22. August gesagt, dass sich Deutschland für eine Verlängerung des Transitvertrags zwischen Russland und der Ukraine einsetze. Sie sagte aber auch, dass das ukrainische Netz künftig etwa für die Durchleitung von Wasserstoff genutzt werden könne. Die Ukraine hofft auf einen Milliardenbetrag aus Deutschland, um die Energiewende umzusetzen.

Vor internationalem Publikum hatte Kremlchef Putin Anfang Juni beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg die Fertigstellung des ersten von zwei Strängen der Ostseepipeline verkündet. «Es ist ein rein wirtschaftliches und kommerzielles Projekt», sagte er mit Blick auf politische Kritik an der Ostseepipeline.

Russland hatte immer wieder Vorwürfe zurückgewiesen, es könne die Gasleitung als «politische Waffe» missbrauchen. Dabei betonten Konzerne auch in Deutschland, dass Moskau selbst zu Sowjetzeiten im Kalten Krieg mit den Spannungen zwischen Ost und West stets ein verlässlicher Energielieferant gewesen sei.

Angesichts einer Vielzahl an Energiequellen in Europa könne auch heute nicht von einer zu hohen Abhängigkeit von russischem Gas die Rede sein, heißt es in Moskau. Merkel und auch der österreichische Kanzler Sebastian Kurz hatten ebenfalls mehrfach betont, dass die Pipeline einen Beitrag leiste zur Energiesicherheit in Europa angesichts des wachsenden Bedarfs.

Kremlchef Putin warf den USA vor, sie hätten mit ihrem Widerstand gegen Nord Stream 2 vor allem eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt. Die USA bieten ihr durch Fracking gewonnenes und dann verflüssigtes Gas als Alternative in der EU an. Putin betonte, dass russisches Pipeline-Gas «sauberer, billiger und verlässlicher» sei als das US-Produkt.

Billiger sei auch der direkte Transport von Russland nach Deutschland – in Umgehung der Ukraine, sagte Putin im Juni auf dem St. Petersburger Wirtschaftsforum. Gazprom zufolge wurden in den ersten sieben Monaten dieses Jahres bereits 33,7 Milliarden Kubikmeter Gas durch die bereits bestehende Leitung Nord Stream 1 gepumpt. Das sei mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. 2020 war demnach mit insgesamt 59,3 Milliarden Kubikmeter ein Rekordjahr.

Von Ulf Mauder und Christopher Hirsch, dpa

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