Die Produkte unterscheiden sich häufig nur in Design und Verpackungsgröße – eines ist auf eine weibliche Zielgruppe ausgelegt, das andere auf eine männliche – dennoch müssen Frauen tiefer in die Tasche greifen. Diese Preisdifferenzierung nach Geschlecht nennt man «Gender Pricing» oder auch «Pink Tax». Übersetzt heißt das in etwa «geschlechtsspezifische Preisgestaltung» oder «pinke Steuer». Dabei handelt es sich aber nicht um eine Steuer, sondern um einen Aufpreis, den Firmen auf weiblich vermarktete Produkte schlagen.
Frauen haben eine höhere Zahlungsbereitschaft
«Unter Pink Tax versteht man, dass die quasi gleichen Produkte in anderer Aufmachung für Frauen und Männer unterschiedlich teuer verkauft werden», sagt Armin Valet, Abteilungsleiter Ernährung und Lebensmittel in der Verbraucherzentrale Hamburg.
«Unternehmen gehen davon aus, dass Frauen für bestimmte Produkte oder Dienstleistungen eine höhere Zahlungsbereitschaft als Männer haben», sagt Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU. Ihm zufolge legen Firmen daher vor allem bei Kosmetik, Dienstleistungen wie Friseurbesuchen und Kleidung unterschiedliche Preise fest, um mehr Gewinn zu erzielen.
Diese Bereitschaft, mehr zu zahlen, werde teilweise schamlos ausgenutzt, sagt Valet. «Zum Teil liegt da schon eine Diskriminierung in dem Sinne vor, dass Aufmachung und Marketing Frauen zum Kauf von teureren Produkten verleiten, obwohl sich diese kaum von der Männervariante unterscheiden.»
Hier zahlen Frauen häufig mehr
Demnach sind Produkte aus dem kosmetischen Bereich wie Cremes, Rasierutensilien, Beautyprodukte und auch Parfüm mit am häufigsten von der «Pink Tax» betroffen, aber auch Dienstleistungen wie Friseurbesuche oder Textilreinigungen. So würden Frauen beispielsweise bei Kurzhaarschnitten beim Friseur oder der Reinigung von Blusen (im Vergleich zu Hemden) benachteiligt.
Die Verbraucherzentrale Hamburg führt seit 2015 immer wieder Marktchecks zum «Gender Pricing» durch. Die aktuellste Stichprobe von Februar 2023 habe «etwas Anlass zur Hoffnung gegeben», schrieb die Verbraucherzentrale. Demnach kosteten Einwegrasierer erstmals seit Beginn der Untersuchungen in der Variante für Frauen genauso viel wie in der für Männer. Rasierschaum hingegen sei immer noch in vielen Fällen teurer geblieben und auch bei Parfüms konnten weiterhin Preisunterschiede festgestellt werden.
Eine kleine aktuelle Stichprobe der Verbraucherzentrale bestätigt die Erkenntnisse aus dem vorherigen Jahr. Demnach können die Preisunterschiede bei Parfüm und Rasierschaum immer noch bis zu 50 Prozent betragen. «In Bezug auf einzelne Warengruppen sehen wir da ein Problem, vor allem, weil das überhaupt nicht durch unterschiedliche Herstellungskosten begründbar ist», sagt Valet.
Auch in einer Studie für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes waren 2017 mehr als 1600 gleichartige Produkte für Frauen und Männer verglichen worden, in 2,3 Prozent der Fälle zahlten Frauen damals mehr, in 1,4 Prozent die Männer. Derzeit fehlt es jedoch an aktuellen großen Auswertungen, sodass der Stand und die Entwicklungen rund um «Pink Tax» und «Gender Pricing» schwer zu überblicken sind.
Die Tricks der Hersteller
Das Tückische ist zudem, dass die unterschiedliche Bepreisung häufig nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Oft stehen Produkte für Frauen und Männer beispielsweise an unterschiedlichen Orten in Drogeriemärkten oder die Preise der Produkte werden durch unterschiedliche Designs und Füllmengen verschleiert. Rechtlich sei es jedoch schwierig gegen die Preisdiskriminierung vorzugehen, sagt Valet – «weil es eben nicht die exakt gleichen Produkte sind, sondern das eine ist blau und das andere rot».
Der Experte für Verbraucherschutz empfiehlt, Preise zu vergleichen. Eigentlich aber solle die Verantwortung nicht auf den Schultern der Verbraucherinnen lasten. «Unser Appell an die Händler war immer, dieses Gender-Marketing zu unterlassen.»
Laut Verbraucherzentrale nannten Hersteller in der Vergangenheit unter anderem unterschiedliche Inhaltsstoffe oder Verpackungsgrößen sowie Design als Gründe für die unterschiedliche Bepreisung mancher Produkte und wiesen den Vorwurf des «Gender Pricing» zurück.
Frauen verdienen in Deutschland weniger als Männer
Auch wenn es sich bei den Preisunterschieden meist nur um harmlos erscheinende Centbeträge handelt, «Gender Pricing» trägt zur finanziellen Benachteiligung von Frauen bei und belastet zusätzlich. Und das, obwohl Frauen in Deutschland zum Beispiel immer noch weniger verdienen als Männer. So lag der bereinigte Gender Pay Gap, also die Einkommenslücke von Frauen und Männern für die gleiche Arbeit, 2023 immer noch bei 6 Prozent.
Der unbereinigte Gender Pay Gap lag bei 18 Prozent. Hierbei ist jedoch ein Großteil der Verdienstlücke auf den Fakt zurückzuführen, dass Frauen häufiger in Branchen und Berufen arbeiten, in den schlechter bezahlt wird. Darüber hinaus erbringen Frauen in Deutschland laut Familienministerium aktuell täglich 43,8 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit wie Kinderbetreuung, Pflege oder Haushalt auf – Zeit, die für bezahlte Arbeit fehlt.
Wird das «Gender Pricing» weniger?
Die Auswertungen der Verbraucherzentrale lassen auf einen Rückgang des «Gender Pricing» schließen. «Ich habe den Eindruck, dass es deutlich weniger wird», sagt Alisa Frey vom Düsseldorfer Institute for Competition Economics. «Meine Vermutung ist, dass sich das durch die Aufmerksamkeit regelt.» Demnach könnte eine erhöhte öffentliche Wahrnehmung der Thematik Hersteller und Händler in Zugzwang bringen.
Marketing-Experte Fassnacht ist anderer Meinung. «Unternehmen müssen heutzutage tendenziell härter auf den Absatzmärkten um Kunden kämpfen», sagt er. Hersteller und Händler gingen nach wie vor davon aus, dass Frauen eine höhere Zahlungsbereitschaft für Kosmetik, Dienstleistungen und Kleidung hätten. «Deswegen nehme ich an, dass Frauen hier auch immer tendenziell etwas mehr bezahlen werden müssen als Männer.» Firmen, die beispielsweise mit geschlechterneutralen Produkten werben, seien eher eine Ausnahme.