Wohnungseigentümer sollten in Zukunft wohl besser davon absehen, Bauvorhaben auf eigene Faust anzupacken, ohne vorher die Zustimmung der Gemeinschaft eingeholt zu haben. Nach neuer Rechtslage gilt seit gut zwei Jahren ein sogenannter Beschlusszwang – und der Bundesgerichtshof (BGH) sieht eher keinen Spielraum für Ausnahmen, wie sich am Freitag in einer Verhandlung abzeichnete.
In dem Fall aus Bremen geht es um ein Doppelhaus, also nur um eine Zweiergemeinschaft. Der Garten gehört zum Gemeinschaftseigentum. Die eine Seite hat ohne Absprache angefangen, in ihrer Hälfte einen Pool zu bauen. Die Nachbarin ist dagegen und klagt auf Unterlassung.
Seit Dezember 2020 ist ein grundlegend reformiertes Wohnungseigentumsgesetz in Kraft. Eine wichtige Neuerung ist, dass bauliche Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum nur noch möglich sein sollen, wenn vorher alle darüber abgestimmt haben.
Gleichzeitig haben die einzelnen Eigentümer bei bestimmten Vorhaben einen Anspruch darauf, dass ihnen die Durchführung per Beschluss gestattet wird. Das gilt für Baumaßnahmen, die die Politik besonders fördern möchte – zum Beispiel wenn eine Tiefgarage Ladestationen für Elektro-Autos bekommen soll. Und auch für bauliche Veränderungen, «durch die kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird», wie es in der Gesetzesbegründung heißt.
Die Nachbarn mit dem Pool meinen, dass hier niemand beeinträchtigt werde. Das Pochen auf einen Beschluss sei daher «bloße Förmelei».
Ohne Beschluss keine Duldungspflicht
Das Landgericht Bremen hatte den Pool-Bau dagegen zuletzt genau daran scheitern lassen. Ohne Beschluss keine Duldungspflicht, so das Urteil – «ein Wohnungseigentümer könnte sonst folgenlos gegen den Beschlusszwang und das Vorbefassungsgebot verstoßen».
Die obersten Zivilrichter in Karlsruhe sehen das nach ersten Beratungen ähnlich. Der Gesetzgeber habe sich bewusst für den Beschlusszwang entschieden, sagte die Vorsitzende Bettina Brückner. In früheren Fällen nach altem Recht, das in diesem Punkt nicht so eindeutig war, hatte der Senat einen Rückbau für unverhältnismäßig gehalten. Aber hier sei gerade erst die Grube ausgehoben.
«Ist es wirklich Formalismus?», fragte Brückner. Oder sei es nicht doch vielleicht Sache des Bauwilligen, zu Gericht zu gehen, um das klären zu lassen? Dieses prüft, ob Anspruch auf einen gestattenden Beschluss besteht, und erteilt dann die Genehmigung.
Jeder hat gemacht, was er wollte
Der Anwalt der Nachbarn mit dem Pool, Siegfried Mennemeyer, sagte, das werde der Situation in einer Zweiergemeinschaft nicht gerecht. In dem Doppelhaus habe bisher jeder gemacht, was er wollte. Eine Eigentümerversammlung habe es noch nie gegeben.
Brückner kündigte an, dass ihr Senat den Fall noch einmal beraten werde. Schließlich gehe es um eine wichtige Weichenstellung für das neue Recht. Das Urteil soll am 17. März verkündet werden.
Sollten die Richter bei ihrer Linie bleiben, dürften Eigentümerverbände zufrieden sein. Michael Nack vom Verbraucherschutzverein Wohnen im Eigentum sagte, für den Frieden in der Gemeinschaft sei es sinnvoller, wenn Bauwillige ihren Miteigentümern von vornherein reinen Wein einschenkten. Es solle eben nicht so sein, dass die Anderen vor vollendete Tatsachen gestellt würden und dann um eine nachträgliche Genehmigung gefeilscht werde.
Auch Julia Wagner vom Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland meint: «Würde der BGH den Eigentümern mit dem Pool Recht geben, würde das die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft vollständig aushebeln.» Außerdem würde das Prozessrisiko auf die Gemeinschaft abgewälzt.