Am Dienstag kommen die Memoiren von Prinz Harry offiziell in den Handel. Zum halben Preis. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Kirsty Wigglesworth/AP/dpa)

Wenn es je einen Zweifel darüber gab, ob die britischen Royals die Berichte über sich in der Klatschpresse lesen, ist er mit Prinz Harrys Autobiografie ausgeräumt. Sie lesen sie nicht nur, sondern sie stecken auch als Informanten oft selbst dahinter, zumindest wenn man dem 38-Jährigen Glauben schenken will.

Kurz vor der offiziellen Veröffentlichung des Buchs mit dem Titel «Spare» (zu Deutsch: «Reserve») am Dienstag hat Prinz Harry in mehreren Fernsehinterviews in Großbritannien und den USA seine Motive für eine beispiellose Zurschaustellung des Innenlebens der britischen Königsfamilie dargelegt.

Wie stückchenweise seit vergangener Woche klar wurde, nimmt er in dem Buch, das versehentlich bereits am vergangenen Donnerstag in spanischen Buchhandlungen lag, kein Blatt vor den Mund. Er schildert Erlebnisse, Auseinandersetzungen und Gefühle in einer nie da gewesenen Detailschärfe. Darunter einen nicht lange zurückliegenden körperlichen Angriff seines Bruders William (40), die gemischten Emotionen gegenüber seiner Stiefmutter Camilla (75) und seine eigenen Erfahrungen mit Sexualität und Drogen sowie dem Töten von Talibankämpfern als Soldat in Afghanistan.

Negativ-Schlagzeilen seien lanciert worden

Das Familienmotto «never complain, never explain» («Niemals beschweren, niemals erklären»), wonach die Royals sich um den Inhalt der Klatschpresse nicht scheren, sei nur eine lose Worthülse gewesen, sagt Harry in einem Interview mit dem britischen Sender ITV, das am Sonntag ausgestrahlt wurde. In Wirklichkeit habe es «viel Beschweren und viel Erklären» gegeben. Aber das sei stets unter der Hand passiert.

Doch er geht noch viel weiter. Viele Negativ-Schlagzeilen über ihn und seine Frau Meghan (41) seien geradezu lanciert worden aus dem Palast, um andere Mitglieder der Familie in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Wer seiner Ansicht nach im Einzelfall genau dahinter steckte, lässt Harry meist offen. Doch eine Person gerät immer wieder ins Visier: seine Stiefmutter, Königsgemahlin Camilla.

Ihr wirft Harry in einem weiteren Interview mit dem US-Sender CBS vor, sie habe als «Bösewicht» in der Dreiecksbeziehung zwischen ihr, König Charles III. (74) und Harrys Mutter Diana das Bedürfnis gehabt, ihr Image in der Öffentlichkeit aufzupolieren. Das habe sie erreicht, in dem sie ihn auf dem «Altar ihrer persönlichen Öffentlichkeitsarbeit geopfert» habe. Bei ITV sagt er, bestimmte Mitglieder der Familie hätten, «entschieden, mit dem Teufel ins Bett zu gehen», um ihr Image zu verbessern.

Das frühe Trauma vom Verlust der Mutter

Prinz Harry zeichnet das Bild einer Monarchie, die ihr eigenes Überleben als untrennbar mit der öffentlichen Meinung und daher mit der Berichterstattung in der mächtigen britischen Boulevardpresse verbunden betrachtet. Die Royals und ihre Berater sind demnach besessen davon, auf die Schlagzeilen einzuwirken. Selbst wenn es bedeutet, Lügen über die eigene Familie in die Welt zu setzen.

Was ihn treibt, das wird immer wieder deutlich, ist das Trauma vom frühen Verlust seiner Mutter Prinzessin Diana, deren Wagen 1997 auf der Flucht vor Paparazzi in einem Pariser Tunnel zerschellte.

Seinen derzeitigen Feldzug sieht aber er nicht nur als persönliche «Mission», sondern als Teil eines globalen Kampfs gegen Rassismus und Frauenhass. Diese richteten sich von Seiten der Boulevardpresse auch gegen seine Frau Meghan. Die Royals nimmt er bei diesem Vorwurf weitgehend in Schutz. Er betont, es sei nicht Rassismus gewesen, was er und seine Frau Meghan der Familie in einem im März 2021 ausgestrahlten Interview mit US-Talkshowlegende Oprah Winfrey vorgeworfen hatten, als es um die Spekulationen zur Hautfarbe ihrer damals noch ungeborenen Kinder ging, sondern unbewusste Vorurteile.

Auch Prinz Harry füttert das Monster

Der Unterschied sei wichtig, weil man sich von diesen unbewussten Vorurteilen befreien könne, wen man wolle, so Harry. Doch dafür habe es genauso wenig Anzeichen gegeben wie für eine Aussöhnung mit ihm. Die sei ihm aber wichtig, das macht er immer wieder deutlich: «Ich will meinen Vater zurück, ich will meinen Bruder zurück», fleht Harry beinahe im ITV-Gespräch. Vom Palast komme aber nur ohrenbetäubendes Schweigen.

Einen Vorwurf wird Harry nur schwer ausräumen können: Dass er mit dem Buch und der sechsteiligen Netflix-Dokumentation sein und das Privatleben seiner Familie zu Geld macht und damit den Pakt mit den Medien in Großbritannien doch nur eingetauscht hat durch einen neuen. «Ich akzeptiere vollkommen, dass das Buch zu schreiben bedeutet, das Monster zu füttern», sagt er in einem am Montag veröffentlichten Interview mit dem US-Sender ABC.

Von Christoph Meyer, dpa

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