Die Bundesregierung will mit einer Gesetzesreform kurzfristigen Kündigungen von Strom- und Gasverträgen durch Billiganbieter sowie Preissprüngen einen Riegel vorschieben.
«Wir dürfen die Verbraucher nicht nochmal so im Regen stehen lassen», sagte Oliver Krischer (Grüne), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Das war und ist eine große Belastung für viele Menschen und ein großer Schock, auf einmal eine Kündigung des Gas- oder Stromanbieters im Briefkasten vorzufinden.»
Konkret kündigte Krischer an, es solle künftig einheitliche Tarife in der Grundversorgung geben, damit Neukunden nicht das Doppelte oder Dreifache gegenüber Bestandskunden zahlen. «Gesplittete Grundversorgungstarife sind am Ende nur ein unnötiges Beschäftigungsprogramm für Gerichte, was wir vermeiden wollen.» Mit gesplitteten Tarifen ist eine Aufspaltung für Neu- und Bestandskunden gemeint.
Außerdem solle die Aufkündigung von Gas- oder Stromlieferungen künftig mehrere Monate vorher angekündigt werden müssen, damit Verbraucher sich in Ruhe einen neuen Versorger suchen können, so Krischer.
Reaktion auf Turbulenzen auf dem Energiemarkt
Das Ministerium reagiert damit darauf, dass viele Billiganbieter in Turbulenzen geraten sind und Tausende Verträge gekündigt haben. Diese Verbraucherinnen und Verbraucher fallen dann in die sogenannte Ersatzversorgung beim Grundversorger der jeweiligen Kommune – müssen aber nach Darstellung der Verbraucherzentralen oft deutlich mehr zahlen.
«Es gibt Handlungsbedarf», sagte Krischer. «Wir wollen deshalb die Hürden für Liefereinstellungen erhöhen und das Instrument der Grund- und Ersatzversorgung auf neue Füße stellen.»
Das Ministerium werde außerdem Vorschläge machen, wie die unseriösen Wettbewerber von der Bundesnetzagentur besser herausgefiltert werden. «Dass rund einer Million Gas- und Stromkunden innerhalb kürzester Zeit gekündigt wird, darf sich so nicht wiederholen.»
Aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums hieß es, es würden nun in enger Abstimmung mit dem Verbraucherschutzministerium zügig konkrete Vorschläge für Anpassungen im Energiewirtschaftsgesetz erarbeitet. Es gehe um mehr Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher durch klare Ankündigungsfristen vor der Liefereinstellung und um Verbesserungen der Regelungen zur Ersatzversorgung und Grundversorgung.
Akteure sind sich grundsätzlich einig
Es bestehe grundsätzliche Einigkeit bei den zuständigen Akteuren, dass es nach der Liefereinstellung von großen Energieversorgern bei Strom und Gas Regelungsbedarf gebe, hieß es weiter. Die Akteure sind neben dem Wirtschafts- und Klimaschutzministerium das Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerium, die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) begrüßte es, dass die Bundesregierung entschieden gegen «Verwerfungen» im Energiemarkt vorgehen wolle. Energieexperte Thomas Engelke sagte zugleich, offen bleibe, wie die Bundesregierung die Ersatzversorgung regeln wolle. Der vzbv fordere, dass der Tarif der Ersatzversorgung dem der Grundversorgung entspreche.
In einem Positionspapier des Verbraucherzentrale Bundesverbands hieß es mit Blick auf die Kündigung von Verträgen, Verbraucherinnen und Verbraucher müssten bei Neukundentarifen teils bis zu 1654 Euro mehr im Jahr zahlen als Bestandskunden.
Einige Grundversorger, die sich bisher längerfristig und angesichts der aktuellen Preissteigerungen dadurch kostengünstiger mit Strom oder Gas für ihre Kunden eingedeckt haben, sähen sich aufgrund einer gestiegenen Anzahl von Neukunden gezwungen, zusätzlich Energie früher als geplant am Spotmarkt zu deutlich höheren Preisen einzukaufen.
Daher seien einige Grundversorger dazu übergegangen, zwischen Neu- und Bestandskunden zu unterscheiden und Neukunden zu teureren Tarifen zu versorgen. Dies aber ist aus Sicht der Verbraucherzentralen rechtlich unzulässig, gefährlich für einen fairen Wettbewerb und auch nicht nachvollziehbar.
Nach Auskunft der Verbraucherzentralen gibt es bundesweit bereits sieben Abmahnungen und eine Androhung wegen der Einstellung von Stromlieferungen, der Kündigung von Verträgen oder wegen extremer Preiserhöhungen. Weitere Abmahnungen seien in Planung.
Der Stadtwerkeverband VKU schlug eine Frist von drei Monaten vor einer beabsichtigen Einstellung der Energielieferung vor. Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing sagte der «Frankfurter Allgemeine Zeitung», die Kündigungsfrist schütze nicht vor Insolvenz. «Aber einige Unternehmen hatten keine Lust mehr, ihre Kunden mit höheren Strompreisen zu beliefern – und das von heute auf morgen.» Das sollte künftig ausgeschlossen werden
Beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hieß es, der Vorschlag von Krischer setze grundsätzlich an den richtigen Stellschrauben an, um zukünftig ähnliche Situationen zu entschärfen. BDEW-Chefin Kerstin Andreae sagte: «Wichtig und im Interesse aller Kunden ist es, dass die Grundversorger sachgerecht auf unerwartete Neukundenzugänge in der Grund- und Ersatzversorgung und gleichzeitig extremen Steigerungen von Beschaffungskosten reagieren können.» Deshalb müsse die Möglichkeit für einen «angemessenen, zusätzlichen Tarif» im Gesetz aufgenommen werden, der die aktuelle Beschaffungskostensituation berücksichtige.