Die Bundesregierung will in der Gaskrise einen «Schutzschirm» für angeschlagene Energieunternehmen schaffen. Mit gesetzlichen Änderungen soll die Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass sich der Bund an Firmen wie Uniper beteiligen kann.
In der Corona-Krise hatte der Bund mit Milliardengeldern die Lufthansa gestützt und sich an dem Konzern beteiligt. Die Ministerien für Wirtschaft, Finanzen und das Bundeskanzleramt einigten sich grundsätzlich auf einen Entwurf, wie es am Montag aus Regierungskreisen hieß. Zuerst hatte der «Spiegel» darüber berichtet.
Ein Entwurf zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes lag auch der Deutschen Presse-Agentur vor. Darin geregelt sind Finanzhilfen bis hin zur Übernahme von Firmenanteilen, um die Pleite eines Gasversorgers abwenden zu können.
Der Staat und damit der Steuerzahler könnten nun Energieversorgern wie Uniper finanziell unter die Arme greifen. Dies wurde in Koalitionskreisen als erste Option bezeichnet. Die andere Möglichkeit wäre, dass die Gaskunden Preissprünge zahlen – dies könnte aber zu drastischen Preiserhöhungen für Verbraucher führen.
Bundesregierung wappnet sich für Zuspitzung der Lage
Aus Regierungskreisen hieß es, die Bundesregierung wappne sich weiter für eine Zuspitzung der Lage auf den Energiemärkten. Der Instrumentenkasten solle vorsorglich noch einmal erweitert werden. Es gehe darum, im Falle weiter steigender Gaspreise und einer Zuspitzung der Lage in den kommenden Monaten handlungsfähig zu sein. Geplant sei auch, dass Maßnahmen zur Energieeinsparung auch vor Eintritt des Krisenfalls getroffen werden können.
Könnten Energieunternehmen die hohen Preise nicht bezahlen oder ihre Verträge nicht erfüllen, drohten finanzielle Schieflagen bis hin zu Insolvenzen. «Brechen aber die Energieunternehmen weg, so drohen ernste Störungen im gesamten Markt entlang der Lieferkette bis hin zum Letztverbraucher.»
Aus Koalitionskreisen hieß es, die Ampel-Fraktionen sollte den Änderungen voraussichtlich am Dienstag zustimmen. Aus den Kreisen hieß es, mit vermutlich milliardenschweren Stabilisierungsmaßnahmen für Unternehmen wie Uniper sollten drastische Preissprünge für Gaskunden verhindert werden.
Im Entwurf heißt es, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sollten Stabilisierungsmaßnahmen bei «Unternehmen der Kritischen Infrastruktur» durch den Bund erleichtert werden – das zielt auf Energieversorger. Solche Maßnahmen kämen nur in Betracht, wenn sie von dem betroffenen Unternehmen beantragt werden.
Gespräche über Stabilisierungsmaßnahmen
Russland hatte die Lieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 stark gedrosselt. Dadurch geriet Deutschlands größter Importeur von russischem Erdgas, Uniper, in Turbulenzen und rief nach Staatshilfen. Wie Uniper mitgeteilt hatte, kommt dafür eine Reihe von Instrumenten in Frage – wie zum Beispiel Garantie- und Sicherheitsleistungen bis hin zu Beteiligungen in Form von Eigenkapital. Das bedeutet, der Staat würde bei Uniper einsteigen.
Die Bundesregierung hatte bestätigt, mit Uniper über Stabilisierungsmaßnahmen zu sprechen. Das Wirtschaftsministerium arbeitet nach Angaben einer Sprecherin «unter Hockdruck» an Lösungen. Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, Ziel sei es, sich für eine weiter angespannte Lage auf den Energiemärkten zu wappnen und den Instrumentenkasten zu füllen. Die Energiemärkte müssten funktionsfähig bleiben. Die Sprecherin wies darauf hin, Uniper habe einen bestehenden Kreditrahmen über die Staatsbank KfW über 2 Milliarden Euro noch nicht gezogen.
Uniper spielt als großer Gasimporteur eine zentrale Rolle für die deutsche Energieversorgung und beliefert viele Stadtwerke. Uniper kann aber derzeit Mehrkosten beim Einlauf von Gas nicht an die Kunden weitergeben – daraus entstünden signifikante finanzielle Belastungen, hatte das Unternehmen bekanntgegeben.
Das bestehende Energiesicherheitsgesetz ermöglicht ein «Preisanpassungsrecht» für Versorgungsunternehmen. Dazu muss die Bundesnetzagentur eine «erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland» formal festgestellt haben, was noch nicht geschehen ist. Wird der Mechanismus aktiviert, könnten Versorger ihre aktuellen Mehrkosten innerhalb von kurzer Zeit an ihre Kunden weitergeben und zu großen Preissprüngen führen.
Habeck hatte vor einer möglichen «Preisexplosion» bei einigen Stadtwerken gewarnt. Um Preissprünge gerechter auf die Verbraucher zu verteilen, arbeitet die Bundesregierung deswegen an einem Umlagesystem. Damit könnten Belastungen gleichmäßiger auf alle Verbraucher verteilt werden, wie es hieß.
Gasversorgung im Moment stabil
Die Probleme von Energieunternehmen könnten sich noch verschärfen, denn am 11. Juli beginnen jährliche Wartungsarbeiten von Nord Stream 1, die in der Regel zehn Tage dauern. Dann fließt kein Gas durch die Pipeline. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht. Vor einem solchen Totalausfall russischer Gaslieferungen durch Nord Stream hatten Habeck und die Bundesnetzagentur gewarnt.
Die Bundesnetzagentur schrieb in ihrem Lagebericht, die Gasversorgung in Deutschland sei im Moment aber stabil. Die Versorgungssicherheit in Deutschland sei weiter gewährleistet. Es werde weiterhin Gas eingespeichert. Die aktuellen Füllstände der Speicher in Deutschland liegen demnach bei 61,85 Prozent. Oberstes Ziel der Bundesregierung ist es, dass die Speicher zu Beginn der Heizperiode im Herbst fast voll sind.
Um angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und einem möglichen Ausfall von Lieferungen weniger abhängig von russischem Gas zu sein, soll außerdem der Gasverbrauch vor allem in der Industrie sinken. Dafür sollen auch mehr Kohlekraftwerke einspringen.
Außerdem soll mehr Flüssigerdgas (LNG) aus anderen Ländern importiert werden. Dazu sind zunächst schwimmende Terminals geplant. Das staatliche Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg gab nach Angaben von Uniper am Montag grünes Licht für den vorzeitigen Baustart für Deutschlands erstes Flüssigerdgas-Terminal in Wilhelmshaven. Über das schwimmende LNG-Terminal sollen bis zu 7,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr umgeschlagen werden. Das entspreche etwa 8,5 Prozent des aktuellen deutschen Gasbedarfs pro Jahr, hieß es. Angestrebt wird eine Inbetriebnahme im kommenden Winter.