Der italienische Regisseur Paolo Taviani 2022 auf der Berlinale. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jörg Carstensen/dpa)

Der italienische Filmemacher Paolo Taviani («Mein Vater, mein Herr», «Cäsar muss sterben») ist tot. Der vielfach ausgezeichnete Regisseur starb am Donnerstag im Alter von 92 Jahren in einem Krankenhaus in Rom, wie seine Familie mitteilte. Zusammen mit seinem bereits 2018 gestorbenen älteren Bruder Vittorio gehörte er in den vergangenen Jahrzehnten zu den wichtigsten Figuren des italienischen Kinos. Die beiden gewannen mit ihren stets gemeinsam gedrehten Filmen mehrere Dutzend internationale Preise – auch in Cannes und Berlin. 

Ihren ersten gemeinsamen Kinofilm drehten die beiden 1967: «I sovversivi» («Die Subversiven»). Ihren internationalen Durchbruch hatten die Brüder 1977 mit «Padre Padrone» («Mein Vater, mein Herr»). Der Film bekam damals in Cannes die Goldene Palme. 2012 erhielten die Tavianis für «Cäsar muss sterben» – ein Doku-Drama über eine Aufführung des Shakespeare-Stücks «Julius Cäsar» im Gefängnis – auf der Berlinale den Goldenen Bären. Mit seinem letzten Film «Leonora addio» kehrte Paolo Taviani 2022, nach dem Tod des Bruders, dann noch einmal allein nach Berlin zurück.

«Meisterwerke des italienischen Kinos»

Vittorio, der 88 Jahre alt wurde, überlebte er schließlich um annähernd sechs Jahre. Dieser hatte über ihr Verhältnis einst gesagt: «Wir haben unterschiedliche Charaktere, aber die gleiche Natur. Unsere Entscheidungen im Leben und in der Kunst sind die gleichen.» Daraus wurde eine lebenslange Zusammenarbeit. Staatspräsident Sergio Matterella würdigte den Verstorbenen am Freitag mit den Worten, Taviani habe «unvergessliche Meisterwerke des italienischen Kinos» geschaffen, geprägt von tiefer Menschlichkeit.

Für viele waren die Brüder nur im Doppelpack denkbar – um den einen zu beschreiben, brauchte man den anderen: Vittorio galt als der Bedächtige, Paolo dagegen eher als mondän und etwas egozentrisch. Auch äußerlich nahmen sich «Vittoriopaolo», wie viele sie in knapper Symbiose nannten, in den letzten Jahren nicht viel: graue Haare, markante Brille, Paolo jedoch ohne Hut und ohne Bart.

Paolo wurde 1931 in San Miniato unweit von Pisa geboren, zwei Jahre nach seinem Bruder. Mit Mitte 20 drehte er über seinen Geburtsort 1954 seinen ersten Dokumentarfilm, der den Tod von 60 Menschen im Dom der Stadt durch deutschen Granatenbeschuss zehn Jahre zuvor zeigte. Die politisch damals stark marxistisch geprägten Brüder griffen das Thema Jahrzehnte später noch einmal in ihrem Spielfilm «Die Nacht von San Lorenzo» (1982) auf, einem viel gelobten Antinazi-Drama. In Cannes wurde es mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet.

Miachung aus Realismus und Inszenierung

Weil sie zunächst für ihre stark ideologisch geprägten Regiekonzepte keinen Produzenten fanden, machten die Tavianis ihre ersten Filme für den Fernsehsender Rai. Paolo stellte aber klar: «Wir haben nicht daran gedacht, einen Film fürs Fernsehen zu machen. Was wir machen wollten, war unser Film.» Für solche Filme steht etwa «Mein Vater, mein Herr», mit dem die Brüder 1977 in Cannes gewannen. Gedreht nach der Autobiografie des Autors Gavino Ledda erzählt er von der mühseligen Befreiung eines jungen Mannes aus der Unterdrückung seines Vaters.

Über mehr als ein halbes Jahrhundert zog sich durch ihr Werk eine Mischung aus Realismus und Inszenierung – in ständiger Auseinandersetzung mit Kino, Literatur, Reportage und Geschichte. Die britische Tageszeitung «Guardian» bezeichnete die Brüder einmal als «letzte Titanen des klassischen italienischen Films». «Cäsar muss sterben» war dann sogar für die Oscars nominiert, ging aber leer aus. Ihr letzter gemeinsamer Film war «Una questione privata» («Eine Privatsache») – basierend auf dem gleichnamigen Roman des italienischen Schriftstellers Beppe Fenoglio.

Nach dem Tod seines Bruders inszenierte Paolo allein «Leonora addio», inspiriert von einer Novelle des Italieners Luigi Pirandello. Damit war er auch nochmals bei der Berlinale im Wettbewerb. Zuletzt arbeitete er an dem Film «Il canto delle meduse» («Der Gesang der Medusen»): Das Projekt sollte vier Geschichten erzählen, die mit dem Verlauf der Corona-Pandemie 2020 verbunden sind.

Von Lena Klimkeit und Christoph Sator, dpa

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