Thomas Müller (M) erzielte den späten 2:1-Siegtreffer für das DFB-Team. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marcus Brandt/dpa)

Hansi Flick packte sich erleichtert seine Ersatzspieler zur Umarmung, Thomas Müller und Co. machten sich ausgepumpt auf den Weg zu den Fans. Das war ein echter Sieg des Willens!

Beim 2:1 (0:1) in Hamburg gegen Rumänien tat sich das fahrige, aber nie aufsteckende deutsche Nationalteam lange Zeit schwer. Doch Müller als Superjoker sorgte mit seinem späten Führungstor (81.) doch noch für die Belohnung. Die Fußball-WM 2022 in Katar ist für den neuen Bundestrainer und die deutsche Nationalmannschaft nun ganz nahe.

Superjoker Müller

«War geil», sagte Matchwinner Müller und fügte hinzu: «Ein schöner Abend für alle Beteiligten.» Der Bayern-Routinier hatte gut lachen, entsprechend fiel sein Fazit aus: «Ich fand, dass wir ein engagiertes Spiel gemacht haben. Wenn du mit 0:1 in die Pause gehst, ist das kein befriedigendes Gefühl. Wir hatten schon das Gefühl, dass wir mehr verdient gehabt hätten. Umso schöner war es, dass wir uns mit dem 2:1 belohnen konnten.»

Serge Gnabry (52.) mit seinem 20. Länderspieltor und Müller (81.) mit seinem 40. DFB-Treffer drehten die Partei nach dem frühen Tor des jungen Ianis Hagi (9.), der die DFB-Abwehr sehr zum Missfallen des Bundestrainers narrte. Das erste Gegentor seiner Amtszeit dürfte Flick mit seinen zwar hoch engagierten, aber in der Chancenverwertung nachlässigen Spielern noch ausgiebig besprechen wollen.

DFB-Team souverän an der Spitze

Mit nun 18 Punkten reist die DFB-Auswahl als souveräner Tabellenführer der Qualifikationsgruppe J nach Skopje, wo am Montag die Revanche gegen Nordmazedonien (12) wartet. Durch das 1:1 von Verfolger Armenien (12) auf Island kann Deutschland dort das WM-Ticket praktisch schon perfekt machen. Die Hinspielniederlage noch unter Flicks Vorgänger Joachim Löw wäre dann nur noch ein Schönheitsfehler.

Attraktiven und begeisternden Fußball will Flick sehen. Bis die deutsche Auswahl die Wunschvorstellung des Bundestrainers verinnerlicht hat, ist aber noch ein Weg zu gehen. Auch wenn die DFB-Auswahl Einsatz, Willen und Leidenschaft zeigte, bekam der frühere Titelsammler des FC Bayern gegen den Weltranglisten-42. einige Schwächen seiner Mannschaft präsentiert. Ungenaues Passspiel in der Offensive, dazu bedenkliche Wackler in der Defensive – und das gegen einen Gegner, der nicht gerade zu den Schwergewichten des Weltfußballs zählt. Die Rumänen stellten die deutsche Mannschaft bei einigen Umschaltaktionen vor mehr Problemen, als Flick lieb war.

Dabei ging es stimmungsvoll los. 25.000 Zuschauer im fußballerisch nicht verwöhnten Hamburg sorgten für einen entsprechenden Rahmen und hätten gleich fast jubeln können. Doch der Video-Schiedsrichter hatte etwas dagegen – zu Recht. Nach einer leichten Berührung von Andrei Burca gegen Timo Werner hatte der türkische Referee Cüneyt Cakir auf den Punkt gezeigt (5.), nach Studium der Bilder musste er die Entscheidung aber wieder einkassieren.

Anstelle des frühen Führungstreffers gab es im Anschluss aber direkt den Stimmungsdämpfer. Hagi, Sohn des berühmten rumänischen Rekordtorschützen Gheorghe Hagi, setzte sich gegen Thilo Kehrer und mit einem Beinschuss gegen Antonio Rüdiger durch und traf aus halbrechter Position zur überraschenden Führung.

ter Stegen für Neuer im Tor

Auch Torhüter Marc-André ter Stegen, der den an den Adduktoren verletzten Kapitän Manuel Neuer vertrat, konnte den ersten Gegentreffer in der Ära Flick nicht verhindern. Für den früheren Gladbacher Keeper ein weiterer bitterer Moment im DFB-Trikot. In der Hierarchie kommt der ewige Kronprinz nicht an Neuer vorbei, richtig glänzen konnte er in der Vergangenheit auch nicht. Bei der einzigen Niederlage in der laufenden WM-Qualifikation gegen Nordmazedonien hatte ter Stegen auch das Pech, im Tor gestanden zu haben.

Es war eine undankbare Aufgabe für den Keeper. Chancen sich auszuzeichnen, hatte er kaum. Dazu ließ die fahrige Defensive mit Rüdiger und Niklas Süle in der Innenverteidigung brenzlige Szenen zu. Ein abgefälschter Schuss von George Puscas hätte den viermaligen Weltmeister sogar noch deutlicher ins Hintertreffen bringen können (10.).

Das Bemühen war der deutschen Mannschaft nicht abzusprechen. Doch gerade in den ersten 45 Minuten fehlte der finale Pass, so dass der Außenseiter kaum in Bedrängnis geriet. Gnabry mit einem Schuss im Liegen (17.) sowie einem Kopfball (24.), dazu ein satter Schuss von Marco Reus aus spitzem Winkel (33.) – viel mehr hatte Rumäniens Keeper Florin Nita nicht zu entschärfen.

Das änderte sich auch zu Beginn der zweiten Halbzeit nicht. Wieder herrschte bei einem Konter höchste Not, mit zwei Pässen war die deutsche Abwehr ausgehebelt. Puscas verpasste aber erneut das zweite Tor (48.). So musste halt ein Distanzschuss her. Gnabry beherzigte das und traf aus halbrechter Position zum Ausgleich. Der Treffer war auch ein Signal. Der Druck der deutschen Mannschaft nahm zu, das Pressing wurde konsequenter, die Chancen wurden besser – wie bei Reus aus kurzer Distanz (58.).

Flick wollte die drei Punkte und zog mit Thomas Müller und Kai Havertz in der 68. Minute seine nächsten Joker. Müller, der in München unter Flick zur alten Stärke zurückfand, kam in der neuen Ära nach seiner Verletzung im letzten Länderspiel-Block erstmals zum Einsatz – und avancierte gleich zum Matchwinner, als er nach Kopfball-Vorlage von Leon Goretzka zur Stelle war. Zuvor hatten Sané (72. und 77.) sowie Havertz (75.) gute Chancen ausgelassen, auf der Gegenseite sorgten mal wieder Puscas (74.) und Nicolae Stanciu (80.) für erhöhte Pulswerte.

Von Jan Mies, Klaus Bergmann und Stefan Tabeling, dpa

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