Jede Menge neue Spiele. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Fabian Strauch/dpa)

Manche tun es gelegentlich, andere dauernd, mal zu zweit, mal in der Gruppe – und das schon seit Tausenden Jahren. Man kann in Zauberwelten eintauchen, Kriminalfälle lösen, reich werden, das Klima schützen oder eine «gendergerechte» Welt schaffen.

Die Spielebranche freut sich über starke Zuwächse für Brett-, Karten- oder Würfelspiele, seit Jahren schon und trotz digitaler Konkurrenz. «Zwischenmenschliche Fähigkeiten fördern und Spaß haben», beschreibt ein Anbieter der internationalen Publikumsmesse «Spiel’21» das Motto.

Die Veranstaltung ist am Donnerstag in Essen an den Start gegangen ist – und wirft auch die Fragen auf: Warum spielen die Menschen – und was macht es mit ihnen?

Etwa 34 Millionen Bundesbürger aller Altersgruppen spielen mindestens einmal im Monat Gesellschaftsspiele, sagt Spielforscher Jens Junge. «Spielen macht glücklich, gesund und schlau.» Es sei wichtig für die Alltagskultur und habe eine ganze Reihe von Funktionen. «Brettspiele sind besonders integrativ, sie führen zusammen – unabhängig von Lebenserfahrung, Wissensstand oder Herkunft.» Also der Enkel mit der Oma, der Zugewanderte aus Syrien mit der alteingesessenen Bürgerin aus der katholischen Gemeinde an einem Spieltisch.

«Spiele können auch Kulturtraining sein. Man kommt ins Gespräch, raus aus dem realen Raum, setzt Mimik, Gestik, Ironie ein und beobachtet die Wirkung auf die anderen», erläutert der Leiter des Instituts für Ludologie (Spielwissenschaft) an der SRH University Berlin. Dabei sind gewisse Freiheiten vorausgesetzt: «Man tut ja nur so als ob. Was man im Spiel macht, hat nicht sofort Konsequenzen.»

Für Hermann Hutter vom Branchenverband Spieleverlage ist zentral: «Die Menschen können miteinander lachen, alle Formen von Emotionen zeigen», gemeinsam etwas erleben. Als man in der Pandemie mit ihren Lockdown-Phasen 2020 «zu Hause gefangen» gewesen sei, hätten viele das Spielen für sich und ihre Familie neu entdeckt. Diese Erstspieler werden auch weiter zu Brettspielen greifen, glaubt er.

Spiele bilden – unterschwellig – ab, was die Gesellschaft umtreibt. Also momentan Themen wie Klimaschutz oder Rassismus. Beim Kartenspiel «Spielköpfe» geht es «gendergerecht, vielfältig und nachhaltig» zu, betont Jana aus Kiel an ihrem Messestand. Es gibt nicht nur Könige, und zwar auch schwarze. Sondern es sind ebenso Königinnen im Spiel – mal mit Kopftuch, mal ohne. Die Idee entstand in einem Uni-Projekt.

Bei «Snowhere» stemmen sich Spieler gegen eine Welt in Flammen. Angesichts von globaler Erwärmung und Waldbränden leider aktuell, heißt es beim Nürnberger-Spielkarten-Verlag. Man verwende nur Recycling-Material und umweltverträgliche Farben, Plastik sei tabu.

Selbst ein Spiel in altertümlichem Gewand kann gegenwärtige Probleme aufgreifen und Debatten auslösen, schildert Junge. In einem Strategiespiel wurden schwarze Spielsteine für Plantagen-Arbeiter jüngst als stereotyp moniert – und nach Protesten ausgewechselt, schildert Junge. «Spiele sollen integrieren, nicht anecken.»

Es lohnt sich auch ein Blick zurück: Schon vor 40 000 Jahren fertigte ein Höhlenmensch aus einem Mammutstoßzahn eine Statuette aus Löwenkopf und Menschenkörper – definitiv ein Spielzeug, sagt der Forscher. Seit 11 500 vor Christus kennt man Gesellschaftsspiele. Zuerst waren das simple Spiele mit Steinchen, Erdkuhlen oder Erbsen. Später amüsierte sich die Oberschicht mit kunstvollen Spielbrettern und -figuren. «Mit der Drucktechnik kamen Kartenspiele auf, nach und nach wurde das Spielen zum Massenphänomen, zum Volkssport.»

Überraschung: «Mensch ärgere dich nicht» hat sich aus einem 1500 Jahre alten Brettspiel («Pachisi») aus Indien entwickelt, hat damit einen religiösen Hintergrund. Ursprünglich war das Ziel, den Zyklus der Wiedergeburt immer wieder zu durchbrechen, um ins schmerzfreie Nirwana zu gelangen. Und als 1813 Skat erfunden wurde, war es «politisch», dass der Bauer Trumpf war – und eben nicht der König, weiß der Experte.

Bei der viertägigen Spielemesse geht es aber vor allem um Freude an gemeinsamen Runden. 2020 hatte es nur eine Online-Ausgabe gegeben. Der veranstaltende Friedhelm-Merz-Verlag geht diesmal von rund 1000 Neuheiten aus 42 Ländern aus. Und verspricht: Die Fans könnten auch Weltpremieren testen.

Von Yuriko Wahl-Immel, dpa

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