Möglichst diskret, gut versteckt in der Faust wird der Tampon unter dem Tisch an eine Freundin gereicht: So eine Situation haben wohl die meisten Frauen schon einmal erlebt.
Doch wenn es nach einigen Start-Ups geht, hat der klassische Tampon ausgedient. Und mit ihm auch das ihrer Meinung nach schambehaftete Image der Menstruation.
Mit Periodenslips, Softtampons und Menstruationstassen sagen sie den etablierten Unternehmen den Kampf an. Ihre Botschaft: Wer menstruiert, soll sich wohlfühlen – und selbst über den Umgang damit entscheiden. Eine der Gründerinnen ist Julia Rittereiser. «Ich hab selbst wahnsinnig Periodenschmerzen und war immer auf der Suche nach einer Lösung, die meine Periode komfortabler und angenehmer gestaltet», sagt sie. «Gleichzeitig wollte ich was haben, was nicht so viel Müll produziert.»
Ihr Unternehmen Kora Mikino hat sich deshalb auf eine nachhaltige Alternative zu Tampons und Binden spezialisiert: Periodenslips. Die Unterhosen bestehen aus mehreren Schichten und können so nach Angaben des Unternehmens bis zu 30 Milliliter Blut aufnehmen – das entspreche etwa 3 mittelgroßen Tampons. Der Bestseller: Nicht etwa die unauffällige Unterhose, sondern der schicke Spitzenslip.
Die Zahlen scheinen Rittereiser Recht zu geben. «Wir wachsen sehr stark», sagt sie. Letztes Jahr sei der Umsatz siebenstellig gewesen, dieses Jahr werde dieser mehr als verdoppelt. «Wenn wir den Zahlen glauben dürfen, wird es deutlich weiter nach oben gehen», sagt Rittereiser. «Ich glaub, das Produkt trifft den Zahn der Zeit.» Die Vision sei, dass irgendwann in jeder Unterwäscheabteilung auch Periodenwäsche hänge.
Bisher spielen die alternativen Produkte allerdings noch keine große Rolle in der Branche. Laut einer Marktanalyse von Splendid Research von 2019 kaufen 96 Prozent der Frauen Einwegprodukte. 57 Prozent betonen aber die Wichtigkeit biologisch abbaubarer und wiederverwertbarer Produkte. Zero Waste Europe schätzt, dass Einweg-Periodenprodukte jedes Jahr etwa 590.000 Tonnen Müll in den EU-Staaten generieren.
Das Thema hat es schwer – auch bei Investoren. «Man hat in gewissen Entscheider-Positionen mit Menschen zu tun, die sich absurd schwer tun, sich in die Zielgruppe hineinzuversetzen», sagt Rittereiser. «Denen fehlt die Fantasie, sich in Periodenschmerzen oder die Menstruation hineinzuversetzen.» Das sieht Komikerin und Geschäftsfrau Carolin Kebekus ähnlich. «Es wird viel zu wenig in Gründerinnen investiert, Frauen haben immer noch weniger Zugang zu Kapital als Männer», sagt sie.
Gemeinsam mit der Unternehmerin Tijen Onaran und Moderatorin Laura Karasek investiert Kebekus in das Start-up Nevernot, das unter anderem Softtampons verkauft. Die herzförmigen Schwämme haben im Gegensatz zu klassischen Tampons keinen Rückholfaden und sollen deutlich weniger zu spüren sein. Auch während des Sex können sie verwendet werden. «Weibliche Produkte bekommen wesentlich weniger Finanzierung als Finanzprodukte – ich finde: Gesundheit schlägt Finanzen», sagt Onaran. «Oft wird ihnen weniger zugetraut, oder die Produkte werden als zu „nischig“ bewertet», findet Kebekus. «Dabei haben die meisten Investoren einfach keine Ahnung, wie sehr ein guter Softtampon, das Leben einer Frau zu 1000 Prozent verbessern kann.»
Produkt und Ideale sind bei vielen jungen Start-Ups eng miteinander verwoben – das ist auch bei Cordelia Röders-Arnold vom Start-Up Einhorn der Fall. «Es ist mein Wunsch, das Leben für menstruierende Menschen schöner zu machen. Periode zur Stärke zu machen, wo sie jahrelang als Schwäche empfunden wurde», sagt sie.
Einhorn wurde vor einigen Jahren durch nachhaltige und bunte Kondome bekannt – vor vier Jahren kam dann Röders-Arnold zum Unternehmen und trieb das Thema Periodenprodukte voran. Seitdem bietet Einhorn auch Bio-Tampons und Slipeinlagen sowie Menstruationstassen an. Die Tassen werden gefaltet in die Vagina eingeführt, bilden dort ein Vakuum und fangen das Blut auf. Anders als Tampons können sie nach der Benutzung abgekocht und wiederverwendet werden.
Die bunte Aufmachung der Kondome übertrug Einhorn auch auf Tampons und Tassen. «Meistens sind die üblichen Verpackungen weiß, grün und diskret, sauber und sicher», sagt Röders-Arnold. «Das muss nicht diskret sein. Die Periode darf Raum einnehmen und Lärm machen. Unsere Tampons heißen TamTampons, weil wir wollen, dass man mit Tampons auch Tamtam machen kann.» Mittlerweile machen die Periodenprodukte laut Röder-Arnold mehr als die Hälfte des Umsatzes von Einhorn aus. Dieser liege insgesamt im siebenstelligen Bereich.
Zu der Botschaft der Start-Ups gehört auch, alle Menschen, die ihre Periode bekommen, anzusprechen. Denn nicht nur Frauen menstruieren: Auch Menschen, die sich beispielsweise keinem Geschlecht zuordnen oder Transmenschen können ihre Tage bekommen.
«Die alten Hersteller diktieren auch das Narrativ», sagt Rittereiser. «Menstruierende Menschen wollen sich davon emanzipieren, dass nicht-menstruierende Menschen ihnen vorschreiben, wie sie mit der Menstruation umgehen.» Es gehe darum, die Deutungshoheit über das Thema zu bekommen. «Und um eine Entmachtung derer, die reine kommerzielle Interessen haben.»