BMW und Mercedes-Benz verkaufen ihre gemeinsame Carsharing-Tochter Share Now an die Opel-Mutter Stellantis.
Die Vereinbarung sei unterzeichnet und über Details Stillschweigen vereinbart worden, teilten die Unternehmen mit. Die Zustimmung der Kartellbehörden stehe noch aus. Der französisch-italienische Stellantis-Konzern, zu dem auch Fiat, Peugeot und Chrysler gehören, will mit der Übernahme seine Mobilitätstochter Free2move «als führendes Carsharing-Unternehmen positionieren».
Marktführer in Europa
Share Now ist mit 11.000 Autos in 16 Städten Marktführer für stationsunabhängige Autovermietungen in Europa. Der Branchenexperte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler schätzt den Kaufpreis auf 200 Millionen bis 300 Millionen Euro. «Ich denke, es war für BMW und Mercedes nie profitabel. Zuletzt hat anscheinend auch das Wachstum stark nachgelassen.» Seit Beginn der Pandemie sei Carsharing unattraktiver geworden. Stellantis dürfte günstigere Kostenstrukturen haben als die beiden deutschen Premiumhersteller.
BMW und Daimler hatten ihre Carsharing-Firmen Car2go und Drivenow 2019 zu Share Now mit dem erklärten Ziel fusioniert, nicht eines Tages von Fahrdienst-Plattformen wie Uber oder Didi in China zu reinen Zulieferern degradiert zu werden. «Als Pioniere des Automobilbaus werden wir nicht anderen das Feld überlassen, wenn es um die urbane Mobilität der Zukunft geht», hatte der damalige Daimler-Chef Dieter Zetsche gesagt. Aber Share Now schrieb hohe Verluste und zog sich bald schon aus den USA und mehreren europäischen Metropolen zurück.
Kombination von Carsharing und Autovermietung
Die reine Carsharing-Flotte von Stellantis ist mit 2500 Fahrzeugen in Paris, Madrid und den USA zwar viel kleiner als die von Share Now. Aber Free2move kombiniert das Carsharing mit der stationären Autovermietung, hat damit eine Flotte von 450.000 Fahrzeugen und bietet seinen Kunden zudem Zugang zu 250.000 Ladestationen und 500.000 Parkplätzen. Das Geschäftsmodell sei profitabel, und mit der Übernahme erhöhten sich die Größenvorteile und Synergien, sagte Free2move-Vorstandschefin Brigitte Courtehoux. Ziel sei ein Umsatz von 700 Millionen Euro bis 2025 und 2,8 Milliarden 2030.
Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sagte: «Im Volumenmarkt mit preisgünstigen Fahrzeugen hat Share Now am ehesten eine Überlebenschance.» Luxusmarken und Carsharing passten nicht recht zusammen. Stellantis könnte die Mercedes- und BMW-Fahrzeuge in der Flotte durch günstigere eigene Modelle ersetzen und über Miet- und Abomodelle auch neue, billigere Vertriebswege für die eigenen Fahrzeuge erschließen. «Stellantis nimmt mit dem Deal auch im Mobility-Geschäft den Kampf mit dem VW-Konzern, Toyota, GM und Ford auf.»
Branchenanalyst Tom Narayan von der Royal Bank of Canada sieht den Verkauf von Share Now als weiteren Beleg, dass Premiumhersteller eher auf Autoprivatbesitz als auf Flotten setzen. Für einen Massenhersteller wie Stellantis ergebe die Suche nach alternativen Absatzwegen auch Sinn. Das erkläre auch die Übernahme von Europcar durch Volkswagen.
VW will mit der Übernahme für 2,5 Milliarden Euro eine Mobilitätsplattform mit Dienstleistungen rund ums Auto schaffen. Dabei ist auch das Standortnetz von Europcar beim weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos interessant.
Charge Now und Free Now im Fokus
BMW und Mercedes wollen nun ihren gemeinsamen E-Auto-Ladedienst Charge Now und ihre Vermittlungs-App Free Now ausbauen, über die Kunden bei Sixt, Miles und anderen Partnern Autos, E-Scooter oder Taxis buchen können. «Die neue Ausrichtung ermöglicht uns die schnellere Skalierung unserer Aktivitäten und somit in kürzester Zeit weiteres profitables Wachstum», sagte BMW-Manager Rainer Feurer. Mercedes-Direktor Gero Götzenberger sagte: «Auch wenn sich Mercedes-Benz künftig stärker auf das Kerngeschäft im Luxussegment konzentriert, bleibt Carsharing ein wichtiger Bestandteil der urbanen Mobilität und bei Free Now ein wesentliches Element im Mobilitätsangebot.»
Laut Bundesverband Carsharing sind bei sogenannten Free-Floating-Systemen, mit denen registrierte Kunden ihre Fahrt spontan antreten können und das Auto danach auf öffentlichen Parkplätzen abstellen, in Deutschland 2,6 Millionen Nutzer angemeldet. Aber «da sind viele Karteileichen drin», sagte Dudenhöffer. Junge Großstädter nutzten heute auch E-Roller und E-Scooter statt Autos. Reines Free Floating sei selten erfolgreich. Viele Anbieter seien «mit blutigen Nasen rausgegangen». Die Autovermietung mache ihr Hauptgeschäft an Flughäfen und Bahnhöfen mit Geschäftsleuten oder Urlaubern sowie mit Ersatzfahrzeugen, solange ein Auto in der Werkstatt steht.