Mit der CD begann vor 40 Jahren die Digitalisierung der Musik. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Armin Weigel/dpa)

Als am 17. August 1982 die Maschinen im Polygram-Werk Hannover-Langenhagen anliefen, wurde dort noch einmal ein Stück Musikgeschichte geschrieben. Mit der CD-Version des ABBA-Albums «The Visitors» begann die kommerzielle Produktion der Compact Disc. Schon bei anderen Tonträgern wie der bis dahin dominierenden Schallplatte war die Fabrik in der Emil-Berliner-Straße, benannt nach dem Erfinder des Grammophons, ein Vorreiter.

Doch wie sich herausstellen sollte, war die CD viel revolutionärer als vorherige Tonträger-Innovationen. Denn sie trug den Keim ihres eigenen Niedergangs in sich: Zum ersten Mal war ein für Verbraucher gemachtes Musikformat digital. Das bedeutete nicht nur sauberen Sound ohne das Rauschen einer Musik-Kassette oder das Knacken der Nadel in Schallplatten-Rillen. Die Umwandlung der Songs in Dateien mit Zahlenreihen aus Einsen und Nullen legte den Grundstein dafür, ganz auf physische Tonträger verzichten zu können. Denn ab da war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Musik hauptsächlich übers Netz verbreitet wurde – wie heute mit Streaming-Diensten. «Die CD hat eine digitale Kultur etabliert», brachte es Kulturforscher Ryan Daniel von der australischen James Cook University auf den Punkt.

Die Anfänge der CD-Ära waren geprägt von Debatten darüber, ob der Sound der zwölf Zentimeter großen Silberscheibe zu steril sei im Vergleich zum wärmeren analogen Klang einer Schallplatte. Und von der Kritik am hohen Preis der ersten Abspielgeräte. Doch bei den Verbrauchern kam die CD gut an. Im Jahr 1985 wurden allein in Langenhagen 26 Millionen Scheiben produziert.

Der Musikindustrie bescherte die CD zunächst ein goldenes Zeitalter. Nicht nur damalige Chartstürmer wie Michael Jackson, Madonna oder U2 füllten ihre Kassen. Ob Beatles oder Bee Gees, die Kunden kauften auch millionenfach Musik, die sie schon besaßen, noch einmal auf CD. Manche Alben sogar mehrfach, wenn es Neuausgaben mit aufpoliertem Sound gab. «The Visitors» von ABBA etwa wurde so noch vier Mal neu herausgebracht.

Die Geburt der Musikpiraterie läutete den Niedergang ein

In Deutschland erreichte der Musikmarkt 1997 einen Höhepunkt mit umgerechnet gut 2,3 Milliarden Euro. Das große Glück der Branche währte jedoch nicht lange. Denn deutsche Forscher entfesselten die umwälzende Kraft der Digitalisierung. Am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen entwickelte ein Team um Professor Karlheinz Brandenburg das Format MP3. Damit ließen sich Musikdateien auf etwa ein Zehntel der CD-Größe reduzieren. MP3 war eigentlich für Radioübertragungen und die Musikindustrie gedacht, doch die Verschlüsselung wurde geknackt. Plötzlich konnte jeder eine CD kopieren und im Internet tauschen. Denn in der Spezifikation der CD war kein Kopierschutz vorgesehen.

Mit der Geburt der Musikpiraterie begann auch der Niedergang der CD. Wer bezahlt schließlich gerne für etwas, was er auch umsonst haben kann? Zum Paradebeispiel wurde die Musiktauschbörse Napster, die auf ihrem Höhepunkt mehr als 60 Millionen Nutzer hatte. Die Plattenindustrie zwang sie schließlich mit Klagen aus dem Netz, doch andere Seiten rückten nach. Die Umsätze der Musikbranche gingen rapide auf Talfahrt.

Beim Neuanfang nach dem Napster-Schock spielte die CD nicht mehr die erste Geige. Mit dem Erfolg des iPod-Players überzeugte Apple-Chef Steve Jobs die Musik-Bosse zum Jahr 2003, dass legale Downloads mit einfacher Bedienung und einem Preis von 99 Cent pro Song die Zukunft sind. Das Streaming, bei dem man die Musik nicht kaufen muss, sondern nur im Abo dafür bezahlt, wirkte schnell wie der nächste logische Schritt – mit dem Durchbruch dauerte es aber, bis schnelle Mobilfunk-Netze und leistungsstarke Smartphones Verbraucher die Sicherheit gaben, dass sie jederzeit an ihre Musik herankommen.

Das Werk in Langenhagen schloss 2017

Das Streaming wurde zum neuen Heilsbringer der Musikindustrie. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz der Branche in Deutschland bis auf 1,96 Milliarden Euro. Sie verteilen sich jedoch ganz anders als früher. Gut 68 Prozent davon brachte das Streaming ein, nur noch 3 Prozent dagegen Kauf-Downloads. Die CD kam noch auf respektable 16,3 Prozent. Aus Langenhagen kommt sie allerdings nicht mehr: Das dortige CD-Werk schloss 2017.

Im weltgrößten Musikmarkt USA gab es 2021 sogar eine Gegenbewegung mit einem Absatzplus von 47,7 Prozent. Nun ist es zwar so, dass mit 46,6 Millionen verkauften Compact Discs nur knapp das Niveau vor der Corona-Pandemie mit ihren Laden-Schließungen erreicht wurde. Doch die Erholung zeigt auch: Während Streaming zum Maß aller Dinge in der Musikindustrie wurde, hat das 40 Jahre alte CD-Format noch seine treuen Käufer, die es nicht missen wollen.

Von Andrej Sokolow, dpa

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