Ein Bauarbeiter beim Bau eines Mehrfamilienhauses im Neubaugebiet Kronsrode, Niedersachsen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Julian Stratenschulte/dpa)

Rund 30.000 streikende Bauarbeiter und interner Ärger bei den Arbeitgebern: Im deutschen Bauhauptgewerbe ist ein Tarifstreit beendet worden, den in dieser Form niemand gewollt hat. Die IG Bauen-Agrar-Umwelt hat sich mit den Arbeitgebern auf ein Vertragswerk geeinigt, das rückwirkend vom 1. April 2024 über drei Jahre gültig sein soll. Der Vorschlag soll bis zum 14. Juni in den Gremien beraten werden. Bis dahin seien die Arbeitskampfmaßnahmen ausgesetzt, teilten beide Seiten gemeinsam mit.

Für die ersten beiden Jahre liegt der Abschluss über den Empfehlungen des Schlichters Rainer Schlegel. Im dritten Jahr kommt die eigentlich erst für Dezember 2026 verabredete vollständige Angleichung der Ostlöhne ans Westniveau nun acht Monate früher zum 1. April 2026. Zudem wird die unterste Lohngruppe 1 als Mindestlohn wieder eingeführt und überproportional angehoben.

Lohnangleichung Ost kommt schneller

In einem ersten Schritt steigen sämtliche Monatsgehälter pauschal um 230 Euro sowie um 1,2 Prozent im Westen und 2,2 Prozent im Osten. In der Lohngruppe 1 gibt es auch im Westen 2,2 Prozent, sodass das Mindestmonatsgehalt eines Bauarbeiters auf gut 2500 Euro steigt. Die zweite Stufe sieht zum 1. April nächsten Jahres 4,2 Prozent mehr im Westen und 5,0 Prozent im Osten sowie für die Gruppe 1 vor. Ein Jahr später steigen dann die Westlöhne um 3,9 Prozent und die im Osten vollständig auf das Westniveau. Dieser Schritt war im vorangegangenen Tarifvertrag erst zum 1. Dezember 2026 verabredet gewesen.

Der Chef der IG Bauen Agrar Umwelt, Robert Feiger, wertete die Einigung als Erfolg der Warnstreiks. «Dieses Ergebnis liegt im Volumen oberhalb des Schlichterspruches, das haben wir immer gefordert. Es waren die Baubeschäftigten, die sich dieses Ergebnis erstreikt haben.» Er werde den gewerkschaftlichen Gremien die Annahme empfehlen. Laut IG BAU haben sich in den zweieinhalb Wochen rund 30.000 Beschäftigte an den Warnstreiks beteiligt. Zielscheibe waren die unterschiedlichsten Betriebe, zuletzt in Hamburg.

Arbeitgeber uneins über Schlichterspruch

Die in zwei Verbände unterteilten Arbeitgeber hatten den Schlichterspruch abgelehnt, obwohl eine Vielzahl der Landesverbände ihm eigentlich zustimmen wollte. Im handwerklich geprägten Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) wurde das bei einer Schlichtung verlangte Quorum von 85 Prozent Zustimmung nur knapp verfehlt, sodass am Ende eine kleine Gruppe den Konflikt zuspitzte. Im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) hatten alle Verbände dem Schlichterspruch zugestimmt.

Bei der IG BAU frohlockten einige über den «Betriebsunfall» im Arbeitgeberlager, der aus ihrer Sicht zwingend in den Streik und schließlich zu einem besseren Abschluss führen musste. Die Gewerkschaft hatte dem Schlichterspruch des früheren Präsidenten des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, längst zugestimmt. Nach seinen Vorgaben sollten die Einkommen zum Mai pauschal um 250 Euro steigen und elf Monate später noch einmal 4,15 Prozent im Westen und 4,95 Prozent im Osten. Beides wurde nun übertroffen und mit der vorzeitigen Lohnangleichung zwischen Ost und West garniert.

Satzungsdiskussion im Baugewerbe

Dem Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Uwe Nostitz vom ZDB, war dennoch eine gewisse Erleichterung anzumerken, dass der Tarifkonflikt nun friedlich endet. «Je schneller sich unsere Betriebe mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wieder gemeinsam auf das Bauen konzentrieren können, desto besser für die gesamte Branche», sagte er. Der Schlichterspruch habe auch handwerkliche Fehler etwa bei den Ausbildungsvergütungen gehabt, die nun behoben seien, sagte ZDB-Tarifgeschäftsführer Heribert Jöris.

Gleichwohl hat im ZDB die Diskussion Fahrt aufgenommen, ob die Satzung in Bezug auf die Schlichtung noch zeitgemäß ist. Die HDB-Vizepräsidentin Jutta Beeke betonte in einer ersten Reaktion die lange Laufzeit von drei Jahren. Das verschaffe den Unternehmen bei angespannter Auftragslage Planungssicherheit.

Von Christian Ebner, dpa

Von