Die Entstehungsgeschichte des Filmklassikers «Der Pate» ist turbulent. Regisseur Francis Ford Coppola stand mehrfach kurz vor dem Rauswurf. Und wenn es nach den Verantwortlichen bei Paramount Pictures gegangen wäre, hätten die Stars Marlon Brando und Al Pacino gar nicht erst vor der Kamera gestanden.
Doch Coppola kämpfte erfolgreich um seinen Job und seine Darsteller. Zum 50. Jubiläum kommt das Mafia-Epos wieder in die Kinos. «50 Jahre! Das ist ziemlich schockierend, oder?», sagt Schauspielerin Talia Shire im Zoom-Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in London. «Es ist unglaublich und wunderbar.» Im Film spielt Shire die Tochter des Paten.
Das Mafia-Epos um den mächtigen New Yorker Boss Don Vito Corleone und seine Familie feierte am 14. März 1972 seine Weltpremiere. Zehn Tage später kam der hochkarätig besetzte, fast drei Stunden lange Film in die Kinos – und wurde dann schnell zum Kassenschlager. Die berühmte Titelmusik von Nino Rota kennt heute jeder. Genauso den legendären Spruch von Marlon Brando als Don Corleone: «Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.» Am 24. August startete der Film, der 1974 und 1990 zwei starke Fortsetzungen nach sich zog, in den deutschen Kinos und wurde auch dort ein großer Erfolg.
Coppola musste um seinen Job kämpfen
Shire spielt Don Vitos Tochter Connie Corleone. Im wahren Leben ist die 75-Jährige außerdem Coppolas Schwester und erinnert sich an «eine schwierige Zeit» für den Regisseur. «Die ersten zwei Wochen gab es Streit. Es war hart», erzählt Shire. Um Kosten zu sparen, wollte Paramount weder, dass der Film – wie Mario Puzos Romanvorlage – in den 40er Jahren spielt, noch dass er in New York gedreht wird. «Es war chaotisch», sagt Shire. «Francis musste um seinen Job kämpfen.» Einige Crewmitglieder forderten demnach den Rauswurf des jungen Regisseurs, doch Coppola konnte sich durchsetzen.
Wenn der Regisseur heute von den Dreharbeiten spricht, fällt häufig das Wort «Alptraum». Bei seiner Schwester, die als Connie ihre erste große Rolle spielte, überwiegen positive Erinnerungen. «Mario Puzo ist nicht mehr unter uns, aber er und Francis sind sehr gute Freunde geworden. Man merkte, dass da etwas Beeindruckendes entstand», sagt sie. «Außerdem muss ich es als Schauspielerin einfach sagen: dass Marlon Brando dabei war, wow, das hat mich mit Ehrfurcht erfüllt.»
Brando war nicht der Wunschkandidat
Brando, der mit 47 den 65-jährigen Don Vito spielte, war ursprünglich nur die zweite Wahl. Wunschkandidat Laurence Olivier hatte abgesagt. Die Studiobosse waren gegen Brando. Weil sein letzter Film gefloppt war, galt er als Kassengift. Obendrein sei er angeblich schwierig im Umgang. Shire widerspricht vehement. «Es war ein Wunder», sagt sie. «Er war der professionellste, am besten vorbereitete und am meisten fokussierte Schauspieler, und das war eine Inspiration für uns alle.» Mit viel Make-up und Maske wurde Brando zum Paten. Und schon die erste Probeaufnahme überzeugte auch die skeptischen Studiobosse.
Von der Hochzeitsszene und dem Tanz von Connie und Don Vito schwärmt Talia Shire im dpa-Gespräch immer noch. «Ich konnte nicht glauben, dass er mit mir tanzt», sagt sie über ihren Filmvater. «Und ich bin eine miese Tänzerin, okay? Aber er hat mich einfach gleiten lassen.» Statt der geplanten drei Tage dauerte der Dreh der Feier zwei Wochen, in denen Shire täglich das Brautkleid trug. «Ich musste aufpassen, dass ich mein Gewicht halte, damit ich reinpasse.» Sie lacht. «Jeder Schauspieler hat die Sorge: Passe ich morgen noch in mein Kostüm?»
Weil Coppola erst wenig begeistert davon war, dass seine damals noch etwas unerfahrene Schwester Talia mitspielen wollte, nahm sie ganz normal am Casting teil. «Wenn ich heute 50 Jahre zurückblicke, hätte ich mich auch nicht eingestellt», scherzt die Schauspielerin, die anschließend als Adrian in den «Rocky»-Filmen weltberühmt wurde.
Daneben spielten in «Der Pate» zahlreiche weitere Stars der 70er Jahre mit – und solche, die es werden sollten: Al Pacino als Don Vitos Sohn Michael, Diane Keaton als Michaels Freundin, Robert Duvall als loyaler Familienanwalt Tom Hagen, James Caan als aufbrausender Sonny, John Cazale als überforderter Fredo oder Schmusesänger Al Martino, der einen Showstar spielt, dessen Ruhm verblasst ist.
Für Francis Ford Coppola brachte «Der Pate» gigantischen Ruhm. Dabei hatte er den Regiejob nach eigener Aussage gar nicht gewollt und nur zugesagt, weil ihn Geldsorgen plagten und er seine Familie ernähren musste. Seine Tochter Sofia Coppola, heute selbst eine etablierte Regisseurin («Lost In Translation»), wurde während der Dreharbeiten geboren und ist als Baby in einer Szene des Films zu sehen.
Als «Der Pate» endlich fertig war, musste sich Francis Ford Coppola anfangs anhören, sein Film sei «langweilig» und «zu lang». Talia Shire hingegen will sofort erkannt haben, dass ihrem Bruder ein Meisterwerk gelungen war. «Man wusste einfach, dass es großartig werden würde», sagt sie und schwärmt: «Er ist ein kreatives Genie.»
«Der Pate» erhielt den wichtigen Oscar als Bester Film und einen für das Beste Adaptierte Drehbuch. Zudem wurde Marlon Brando als Bester Hauptdarsteller ausgezeichnet. Die Annahme seines Oscars verweigerte er aus Protest gegen die Behandlung indigener Amerikaner in der Filmindustrie. Insgesamt war der Film elfmal nominiert, darunter dreimal in der Kategorie Bester Nebendarsteller (Caan, Duvall und Pacino). Die Nominierung für Nino Rotas Filmmusik wurde allerdings später zurückgezogen, als bekannt wurde, dass der Komponist die ikonische Titelmelodie schon 1958 für den Film «Fortunella» verwendet hatte. Rota bekam zwei Jahre später einen Oscar für «Der Pate II».
Die strapaziösen Dreharbeiten hatten sich also gelohnt, und Francis Ford Coppolas Hartnäckigkeit zahlte sich für alle Beteiligten aus. Talia Shire glaubt, dass die Mafia-Trilogie, die zum Jubiläum von «Der Pate» in ausgewählten Kinos läuft und in einer neuen Box mit allen drei Teilen auf DVD und Blu-Ray erscheint, auch in Zukunft nichts von ihrer Popularität einbüßen wird. «Ich erwarte, dass es auch zum 100. und zum 150. Jubiläum eine Feier geben wird», sagt Shire, «denn es ist ein Kunstwerk, und es überdauert die Zeit.»