Ein Schild mit der Aufschrift «2G» vor einem Geschäft in Potsdam. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Christophe Gateau/dpa)

Mit drastischen Warnungen blicken Mittelstand und Handel angesichts steigender Corona-Infektionszahlen auf einen möglichen neuen Lockdown. Von einem «wirtschaftlichen Super-Gau» spricht der Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Markus Jerger.

Der Hauptgeschäftsführer des Mittelstandsverbunds, Ludwig Veltmann, sieht eine «dramatische Perspektive für den Standort Deutschland». Der Handelsverband HDE sprach sich zum ersten Adventswochenende erstmals für eine Impfpflicht aus.

Jerger vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft forderte die Politik auf, einen drohenden Corona-Lockdown unbedingt zu verhindern. Der Deutschen Presse-Agentur sagte er: «Müssten Betriebe und Einzelhandel im so wichtigen Weihnachtsgeschäft erneut zwangsweise schließen, hätten wir den wirtschaftlichen Super-Gau: Ganze Branchen wären betroffen, und sehr viele mittelständische Unternehmen würden einen erneuten Lockdown wirtschaftlich nicht überleben.»

Für die Betriebe folge daraus, dass die 3G-Regel streng kontrolliert oder 2G eingeführt werden müsse – das würde bedeuten: Zugang zu Betrieben nur noch für Geimpfte und Genesene. «Im Klartext: Impfunwillige Beschäftigte, außer bei medizinischen Ausnahmen, müssen die Folgen ihres Handelns dann auch in der Lohntüte spüren», so Jerger. «Überlastete Krankenhäuser und verschobene Operationen kosten Menschenleben, und das Virus nimmt keine Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten.»

Das Coronavirus sei der Politik wieder einmal voraus, kritisiert Jerger. Amtierende und künftige Bundesregierung dürften keine Zeit mehr verlieren, sondern müssten unverzüglich und konsequent handeln. An der schnellen Einführung einer allgemeinen Impfpflicht führe kein Weg mehr vorbei. «Das kommt zwar zur Bekämpfung der vierten Coronawelle zu spät, verschont die Menschen und die Wirtschaft aber vor Schlimmerem. Angesichts der dramatischen Pandemieentwicklung kann nur so ein drohender Lockdown abgewendet werden.»

Auch HDE für Impfpflicht

Für eine Impfpflicht hat sich nun auch der Handelsverband HDE ausgesprochen: «Gerade mit Blick auf die aktuell diskutierten erheblich einschränkenden Maßnahmen für die Gesellschaft und Wirtschaft muss eine Impfpflicht entsprechend verfolgt werden», schreibt der HDE in einem Brief an die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Geboten sei eine «zeitnahe Einführung einer verfassungskonform ausgestalteten allgemeinen Impfpflicht mit klar definierten Ausnahmen». Denn derzeit reiche die Impfquote nicht aus, um eine vierte Welle ausreichend einzudämmen.

In Berlin ist an diesem Samstag – dem ersten Adventswochenende – die 2G-Regelung auch im Handel in Kraft getreten: Zu den meisten Geschäften haben nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt, ausgenommen sind unter anderem Supermärkte, Drogerien und Apotheken. Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, kritisierte die Folgen für die Beschäftigten: «Die Mitarbeitenden müssen die Hilfspolizei geben und bei der Kontrolle die Konfrontationen mit Kunden aushalten.» Zudem rechnet er mit Umsatzeinbußen von 15 bis 30 oder 40 Prozent. «Wir verzeichnen bereits Frequenzrückgänge», sagte Busch-Petersen.

Veltmann vom Mittelstandsverbund sagte der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf einen möglichen Lockdown: «Viele gerade kleinere und mittlere Unternehmen würden endgültig aus dem Wettbewerb katapultiert. Ebenso betroffen wären Hunderttausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.»

Die Politik müsse zu ihrem Wort stehen und dürfe einen erneuten Lockdown nicht zulassen. «Mit dem konsequenten kurzfristigen Einsatz flächendeckender digitaler Schnelltest-Systeme, die sich mit bestehenden digitalen Tools wie der Corona-Warn-App direkt verbinden lassen und den Gesundheitsämtern alle benötigten aktuellen Informationen liefern, könnte endlich das Infektionsgeschehen lokalisiert und dann auch gezielt bekämpft werden.» Ein generelles Stilllegen des öffentlichen Lebens und ganzer Bereiche der Wirtschaft wäre dann verzichtbar.

Veltmann kritisierte die Politik: «Statt die Infektionswege endlich systematisch digital zu erfassen, wird nach wie vor auf zu langsame klassische Methoden gesetzt, mit denen die Pandemie letztlich nicht beherrscht werden kann.» Leidtragende wären laut Veltmann zu Unrecht vor allem erneut Unternehmerinnen und Unternehmer aus zahlreichen Handels- und Dienstleistungsbranchen an ihren lokalen Standorten. «Erneute Kurzarbeit würde Frust, Fluktuation und Facharbeitermangel fördern. Eine dramatische Perspektive für den Standort Deutschland.»

Von Andreas Hoenig und Johanna Uchtmann, dpa

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