Von wegen, der Roadster ist tot! Volumenhersteller wie Audi, Mercedes oder BMW mögen sich aus dieser offenen Zweierbeziehung peu à peu verabschieden. Doch Nischenanbieter Morgan trotzt dem Trend und hält der Open-Air-Kultur die Treue. Schließlich bauen die Briten seit über 100 Jahren fast ausschließlich offene Autos, die nur ausnahmsweise mal mehr als zwei Sitze haben und nur vorübergehend überdacht werden.

Und Tradition wird groß geschrieben in Malvern. Nicht umsonst sehen selbst die neuen Modelle mit freistehenden Scheinwerfern, weit geschwungenen Kotflügeln und yachtartig ausufernden Hecks aus wie Oldtimer aus den 1930er-Jahren. Das gilt für den Super 3 und den Plus Four und erst recht für den neuen Supersport, der in diesem Sommer zu Preisen ab 126.700 an die Spitze der Modellpalette rückt.

Weil es sich die Briten aber nicht verscherzen wollen mit all jenen Petrolheads, die vornehme Blässe schätzen und lieber im Schatten fahren, gibt es den offenen Zweisitzer alternativ zum Stoffverdeck auch mit einem Hardtop, das Spätberufene mit vier Schrauben auch wieder demontieren oder gegen die Stoffmütze tauschen und dann trotzdem frische Luft genießen können.

Ein fabrikneuer BMW aus der Museumswerkstatt

Zwar entsteht der Supersport wie alle Morgan aus der Pickersleigh Road weitgehend in Handarbeit mit maßgefertigten Alublechen, die über einen Rahmen aus Eschenholz gedengelt werden. Deshalb dauert die Produktion eines Autos schon mal fünf Monate. Und in den Backsteinhallen drei Stunden nördlich von London werden kaum mehr als 700 Autos pro Jahr fertig.

Doch alles, was in dieser antiquierten Hülle steckt, ist auf dem neuesten Stand, denn es kommt von BMW aus München: Das Fahrwerk, die Achtgangautomatik und vor allem den drei Liter großen Sechszylinder-Turbo kennt man aus dem BMW Z4. 

Fahrfreude in Reinform

Auch wenn sie sich unter dem Blech gleichen und es zumindest im Cockpit sogar ein paar Übernahmeteile gibt, könnten zwei Autos nicht unterschiedlicher sein als der Z4 und der Supersport. Nicht nur zwischen den Designs liegen ganze Epochen, sondern auch das Fahrverhalten ist mitnichten vergleichbar.

Ja, schnell und stark sind sie beide. Der Morgan beschleunigt mit seinen 250 kW/340 PS und 500 Nm bei nicht einmal 1.200 Kilo immerhin in 3,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und schafft in der Spitze bis zu 267 km/h. Aber während man im BMW auch am Lenkrad schnell zum Passagier wird und über all das digitale Gedöns stöhnt, bietet der Morgan Fahrfreude in Reinform: Mit dem Allerwertesten kurz über dem Asphalt und den stürmischen Wind in den Haaren, werden Fahrer und Fahrzeug eins und man steuert den Hecktriebler fast mit der Kraft seiner Gedanken statt der Muskeln in den Armen.

Kaum sieht man eine Kurve, ist das Auto auch schon rum. Und wer beim Kauf alle Kreuzchen macht und auf der Straße alle Register zieht, der fühlt mit dem Gewindefahrwerk sogar die Markierung auf der Fahrbahn und lenkt dank Hinterachssperrdifferential auch mit dem Gaspedal. Vereinfacht ausgedrückt, kann so ein Sperrdifferenzial dafür sorgen, dass beim stärkeren Gas geben in der Kurve mehr Drehmoment auf das kurvenäußere Hinterrad übertragen wird. Das kann dazu führen, dass das Auto leichter in die Kurve eindreht – eben mit dem Gaspedal mitgelenkt wird.

Klar, nach einer langen Strecke fühlt man sich im Morgan so erschlagen wie nach einem Marathon. Aber die Fahrt zum Bäcker am frühen Sonntagmorgen war noch nie befriedigender – und spätestens nach zwei Sprints und zwei Serpentinen ist auch das letzte Quäntchen Müdigkeit vom Adrenalin aus dem Körper gespült.

Wie in der guten alten Zeit 

So analog wie das Fahrgefühl ist auch die Bedienung. Nicht nur, dass man umgeben ist von Wolle, Naturleder, Echtholz und Aluminium statt von Kunstfasern in jedweder Form, von Filz aus Fischernetzen oder veganem Lederersatz. Es gibt auch nirgendwo Sensorfelder, keine Sprachsteuerung und keinen Touchscreen.

Sondern das für allerlei Kontrollleuchten offenbar unabdingbare Digitaldisplay versteckt sich ganz klein hinter dem Lenkrad, die modernen Taster dafür – Achtung: Luxus aus der Gegenwart – sind unter dem Armaturenbrett verborgen, während das Cockpit nur mit ein paar fast schon antiken Druckschalter gesprenkelt ist. Die drei (!) Scheibenwischer sind kurze Gummistummel an Chromfingern, Fenster werden nicht elektrisch gehoben, sondern von Hand verschoben oder ganz ausgebaut.

Das Verdeck wirft man am langen Arm nach hinten und die Härte des Sitzes verstellt man mit einer Handpumpe. So sind dafür zwei Luftkissen im Sitz, die man mit einer Gummikugel aufpumpt. Willkommen in der guten alten Zeit des Automobils. Nur, dass es versteckt jetzt halt trotzdem einen Bluetooth-Lautsprecher gibt und aus den Froschaugen LED-Brenner strahlen.

Fazit: Ein fabrikneuer Oldtimer mit Zukunft

Gestern, heute? Morgan! Nicht nur, dass Morgan zu den wenigen Herstellern gehört, die überhaupt noch offene Autos bauen. Nein, mit ihrer eigenwilligen Kombination aus Oldtimer-Design und Neuwagentechnik bieten sie zudem ein einzigartiges Erlebnis, das Autofahren wieder auf den puren und bisweilen auch sinnfreien, vor allem aber buchstäblich zeitlosen Spaß an der Fortbewegung reduziert – und deshalb auch die (elektrische) Zukunft überdauern wird. 

Datenblatt: Morgan Supersport

Motor und Antrieb: Reihensechszylinder-Benziner
Hubraum: 2.998 ccm
Max. Leistung: 250 kW/340 PS 
Max. Drehmoment: 500 Nm 
Antrieb: Heckantrieb 
Getriebe: Achtgang-Automatik

 

Maße und Gewichte  
Länge: 4.110 mm
Breite: 1.805 mm
Höhe: 1.290 mm
Radstand: 2.520 mm
Leergewicht: 1.170 kg 
Zuladung: k.A.
Kofferraumvolumen: k.A.

 

Fahrdaten:  
Höchstgeschwindigkeit: 267 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: 3,9 s
Durchschnittsverbrauch: 7,7 Liter/100 km
Reichweite: 530 km
CO2-Emission: 175 g/km

 

Kosten:  
Basispreis des Morgan Supersport 126.500 Euro 
Typklassen: k.A.
Kfz-Steuer: 220 Euro/Jahr

 

Wichtige Serienausstattung:  
Sicherheit: Zwei Airbags, LED-Scheinwerfer, ESP
Komfort: Steckscheiben, Zentralverriegelung