Der Stargeiger Daniel Hope. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Erik Almas/Deutsche Grammophon/dpa)

Amerika begeistert Daniel Hope schon, seit er als kleiner Junge dort seine geliebte «Tante Leni» besuchen durfte.

«Dieser „American way of life“ war für mich gerade als Kind faszinierend – alles war groß, großzügig, überdimensional», erzählt der 1973 in Durban (Südafrika) geborene Geigenvirtuose im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Eine «regelrechte Besessenheit» des Künstlers Hope für Amerika kam im Lauf der Jahre hinzu: «Diese Weite und diese Offenheit finde ich auch immer noch im Klang amerikanischer Musik», sagt er. Die Euphorie des Yehudi-Menuhin-Schülers und vielfachen Echo-Klassik-Preisträgers hat nun ein schlicht «America» betiteltes Album hervorgebracht, mit dem er die Grenzen zwischen Klassik, Jazz, Gospel und Blues aufhebt. Gewidmet ist das Werk jener Großtante, die in der 1930er Jahren im letzten Moment aus Nazi-Deutschland in die USA entkommen konnte.

Auf der Suche nach einem typischen Sound

Die Ausgangsfrage für den irisch-deutschen Klassik-Star lautete: Was lässt Musik eigentlich amerikanisch klingen? Auf der Suche nach einem typischen Sound dieses riesigen Landes darf natürlich «Summertime» von George Gershwin nicht fehlen, auch nicht Leonard Bernsteins Musical-Hit «Maria». Doch dazwischen platziert Hope eine sehr schlanke und daher besonders bewegende Version von Sam Cookes Bürgerrechtshymne «A Change Is Gonna Come» für Violine, Klavier und Gesang – zusammen mit der brasilianischen Pianistin Sylvia Thereza und der herausragenden Berliner Soul-Sängerin Joy Denalane.

«Man kann keine Platte über amerikanische Musik machen, die auch noch „America“ heißt, wenn man sich nicht ernsthaft eine der wichtigsten Säulen anschaut – die afroamerikanische», sagt Hope. Daher kombiniert der 48-Jährige nun Gershwin, Bernstein und Aaron Copland als weiße Ikonen der US-Klassik mit Stücken der schwarzen Komponistin Florence Price und des Jazz-Pioniers Duke Ellington.

Ohne Folklore-Kitsch

Eine «American Song Suite» mit Liedern des vor den Nazis in die USA geflohenen Kurt Weill rundet das Album ab. Am Schluss erklingt das andächtige «America The Beautiful» von Samuel Ward – Hopes herrliche Guarneri-Geige von 1742 und das Zürcher Kammerorchester vermeiden hier zum Glück jeden Folklore-Kitsch.

Dass er vor vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen nicht zurückschreckt, beweist Hope seit 30 Jahren als grenzüberschreitender Musiker, Festival-Chef, Talentförderer, Buchautor, Fernseh- und Rundfunkmoderator. Für «America» hat er sich erstmals im Studio mit dem renommierten Jazz-Trio seines langjährigen Freundes Marcus Roberts zusammengetan – und gewinnt so selbst bereits dutzendfach eingespielten Gershwin-Songs neue Facetten ab.

Das Album wäre ohne den sensationellen Pianisten Roberts «nicht denkbar» gewesen, betont Hope dankbar. «Wir haben uns viel Zeit und Raum gegeben, um eine eigene Stimme innerhalb unserer Kollaboration von Jazz und Klassik zu finden. Marcus hat mich ermutigt, noch freier zu improvisieren und richtig loszulassen. Das öffnete mir ganz neue Klangsphären.» Er sei deswegen «natürlich kein Jazzmusiker, aber meine Antennen dafür sind weit ausgefahren. Ich bin offen für diese andere Seite».

Die intensive Beschäftigung mit afroamerikanischer Musik ist Daniel Hope, der für seine Verdienste um die Erinnerungskultur in Deutschland 2017 das Bundesverdienstkreuz erhielt, schon lange ein Herzensanliegen. Auf «America» lebt er dieses Faible so richtig aus und führt dafür auch persönlich-politische Gründe an. «Meine frühe Kindheit war schon sehr geprägt von Rassentrennung, von der Apartheid.» Mit «A Change Is Gonna Come» und «Come Sunday» verneigt sich Hope vor den vom US-Rassismus der 50er und 60er Jahre betroffenen Soul- und Gospel-Sängern Sam Cooke und Mahalia Jackson – «für mich mit die erstaunlichsten Stimmen dieser Zeit».

Tourpläne

Fünf Alben hat der fleißige Violinist seit 2020 herausgebracht – von «Belle Epoque»-Musik über Weihnachtslieder bis zu Duo-Werken des Avantgardisten Alfred Schnittke und dem Klassik-Jazz-Hybriden «America» decken sie eine enorme Bandbreite ab. «Dahinter steckt eine Überdosis an Neugier», sagt Hope lachend. «Die letzten zwei Jahre der Pandemie waren für mich tatsächlich sehr produktiv, zumindest was das Studio angeht. Ich konnte mir Themen vornehmen, die musikalisch spannend sind und die mich geschichtlich interessieren.»

«Amerikas Musik ist so vielfältig und lebendig wie seine Menschen», hat Daniel Hope bei seiner jüngsten künstlerischen Forschungsarbeit herausgefunden. Die Studioaufnahmen mit dem Schweizer Orchester und den diversen Gästen vermitteln diese Begeisterung eindrucksvoll. Wenn es die Corona-Lage zulässt, will Hope das neue Repertoire jetzt aber auch bei einer Tournee vorstellen. Denn so schön seine in der Pandemie per Livestream übertragenen Wohnzimmer-Konzerte «Hope@Home» waren – «America» ist nun wirklich für die ganz große Bühne gemacht.

Von Werner Herpell, dpa

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