Der frühere Wirecard-Vorstandschef Markus Braun vor Beginn der Fortsetzung im Wirecard-Prozess im Gerichtssaal. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sven Hoppe/dpa)

Im Wirecard-Prozess hat ein Wirtschaftsprüfer am Donnerstag über Behinderungen und Beeinflussungsversuche bei der Sonderprüfung der Bilanzen des Zahlungsdienstleisters berichtet. Der ehemalige Vorstandschef Markus Braun habe auch versucht, die Prüfgesellschaft KMPG unter Druck zu setzen und mit rechtlichen Schritten gedroht, sagte KPMG-Vorstand Sven-Olaf Leitz vor dem Landgericht München.

Wirecard brach im Juni 2020 zusammen, weil angeblich auf Treuhandkonten in Asien verbuchte 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar waren. Laut Anlage gab es das Geld nie.

Braun, der ehemalige Chefbuchhalter des Konzerns und der frühere Wirecard-Geschäftsführer in Dubai stehen seit Anfang Dezember wegen mutmaßlichen Betrugs vor Gericht. Sie sollen mit weiteren Komplizen einen Großteil der Geschäfte erfunden und Banken um über drei Milliarden Euro geprellt haben. Braun bestreitet das, der mitangeklagte Geschäftsführer hat gestanden und tritt als Kronzeuge auf.

Leitz sagte, KPMG habe das Geld nicht gefunden. Braun habe ihm dann gesagt: «Vertrauen Sie mir, es ist alles da. Ich habe Herrschaftswissen.» Da seien bei ihm alle Alarmglocken angegangen, sagte Leitz. Wirecard-Vertriebschef Jan Marsalek habe die Prüfer mit der merkwürdigen Frage abgespeist: «Wer soll denn das Geld sonst haben? Kim Jong-Il vielleicht?»

Sonderprüfung sehr schleppend

KPMG sollte ab Oktober 2019 im Auftrag des Wirecard-Aufsichtsrats die Bilanzen von 2016 bis 2018 in einer Sonderprüfung unter die Lupe nehmen und klären, ob in der «Financial Times» erhobene Manipulationsvorwürfe berechtigt waren. Aber die Prüfung sei sehr zäh, sehr schleppend verlaufen, sagte Leitz. KMPG wollte das angebliche Geschäft mit Drittpartnern in Asien «von den Verträgen bis zum Geldeingang alles überprüfen». Aber Wirecard habe Unterlagen verwehrt. Verträge und Transaktionsdaten seien nicht vorgelegt worden, Geldflüsse nicht nachvollziehbar gewesen.

«Den Versuch, uns zu beeinflussen, gab’s mehrfach», sagte Leitz. Die Diskussionen seien teilweise sehr emotional verlaufen. Im April 2020 habe KPMG «das Vertrauen in die weitere Zusammenarbeit verloren und gesagt, es macht keinen Sinn mehr, hier weiterzumachen». Braun habe mit rechtlichen Schritten gedroht und «versucht, uns unter Druck zu setzen». Er habe aber auch an den Prüfer appelliert: KPMG habe «den Drücker für den elektrischen Stuhl in der Hand», auf dem er sitze. In der Schlussbesprechung sei noch versucht worden, Passagen zu streichen oder zu verändern.

Eine Milliarde Euro nicht auffindbar

KPMG berichtete schließlich, dass es Untersuchungshemmnisse gegeben habe und 1 Milliarde Euro auf Treuhandkonten nicht nachweisbar sei. Dennoch gab Braun darauf jedoch die für KPMG überraschende Börsenpflicht-Mitteilung heraus, die Sonderprüfung habe keinerlei Nachweis für Bilanzfälschung ergeben: Es «haben sich keine substanziellen Feststellungen ergeben, die für die Jahresabschlüsse im Untersuchungszeitraum 2016, 2017 und 2018 zu Korrekturbedarf geführt hätten» und «keine Anhaltspunkte für Abweichungen zwischen den ausgewiesenen Umsätzen und den Kontensalden». Leitz betonte: «Die Verantwortung für Kapitalmarktinformationen liegt allein beim Vorstand.»

Regulär hatte EY die Bilanzen des Dax-Konzerns Wirecard geprüft. Braun hat im Prozess gesagt, dass er die Sonderuntersuchung selbst angestoßen habe.

Wirecard und Geschäftspartner des Konzerns in Asien wickelten als Zahlungsdienstleister an der Schnittstelle zwischen Händlern und Banken Kreditkartenzahlungen ab. Laut Anklage und des Kronzeugen waren die Umsätze bei diesen Drittpartnern erfunden, nach Darstellung Brauns hingegen real.

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